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Leg dich bloß nicht mit dieser Frau an! Christiane Hagedorn ab Samstag als Pepa in „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ im Hans Otto Theater.

©  HL Böhme/HOT

Kultur: Drama! Drama!

Pedro Almodóvars „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ als Musical im Hans Otto Theater

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Das Genre des Musicals hat in Deutschland – ganz anders als in den USA – irgendwie immer noch den Ruf, eine seichte Form der Massenunterhaltung zu sein. Für den Musical-Regisseur Stefan Huber ist das jedoch nicht mehr als ein Vorurteil. Die Zeiten, in denen er von den Kollegen aus der E-Abteilung – also für die ernsthafte Musik, im Gegensatz zur Unterhaltungsmusik der U-Abteilung – noch schief angeguckt wurde, seien definitiv vorbei. „Das hat sich inzwischen gelegt“, sagt Huber. Man könne mit Musik viel mehr erzählen. Damit meine er nicht schwülstige Balladen wie in „Phantom der Oper“ oder „Cats“. Nun will er mit der Premiere von „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ am Wochenende am Hans Otto Theater den Beweis dafür liefern.

„Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ – der griffig Filmtitel des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar aus dem Jahr 1988 weist schon direkt auf das hin, was einen erwartet: Das Tempo ist rasanter als in einer herkömmlichen Komödie, das ganze Stück sei gespickt mit abschüssig-schrägen Momenten und spitze sich fast thrillermäßig zu. Klar, Almodóvar, dem mit diesem Film der Durchbruch gelang – Goya, Golden-Globe-Nominierung, Oscar-Nominierung – gilt als Meister des Grotesken, der eine schrille, lärmende Komödie geschaffen hat.

Pepa (Christiane Hagedorn) und Iván (Bernd Geiling) scheinen eine harmonische Beziehung zu führen – bis Pepa eine Nachricht von Iván auf ihrem Anrufbeantworter findet: „Auf Wiedersehen – und pack meine Sachen in einen Koffer.“ Pepa ist außer sich, und es ist ein Taxifahrer (Philipp Mauritz), der den Satz äußert, der zum subtilen, aber treffenden Motto der Handlung wird: „Das ist einer dieser Tage.“ Während Pepa leidend durch Madrid irrt, kommt sie Iváns Doppelleben auf die Spur: Dieser ist bereits verheiratet, hat sogar einen erwachsenen Sohn. Als sie wieder zu Hause eintrifft, taucht ihre Freundin Candela auf, ein Model, das auf der Flucht vor der Polizei ist, da sich ihr Freund als schiitischer Terrorist entpuppt hat. Nach und nach trudeln auch alle anderen in Pepas Wohnung ein, wo sich bald ein komplexes Beziehungsgeflecht auftut: Paulina, die Freundin von Pepa und radikalfeministische Anwältin, Iváns Sohn Carlos mit seiner Freundin Marisa sowie die Mutter von Carlos, die völlig irre ist und gerade aus der Psychiatrie entlassen wurde – und alle sind auf eine schräge Art und Weise völlig verzweifelt. Pepa hat unterdessen aber eine ganz spezielle Gazpacho gemixt, die ihr ein bisschen Zeit verschaffen wird.

„Es wirbelt einfach! Die Hauptfigur wird von einer Szene in die nächste geworfen und hat kaum Zeit zu reagieren“, sagt Musical-Spezialist Huber über die Handlung. Christiane Hagedorn hat die Herausforderung angenommen, in der Figur der Pepa den ganzen Abend zu tragen: „Ich würde aber auch jede andere Rolle spielen, weil alle so toll sind“, sagt sie. Dabei sei sie speziell auf diese Rolle gecastet worden. „Eigentlich bin ich gar nicht auf Musicals abboniert“, so Hagedorn, sie habe erst in einem Musical mitgespielt, eine Nebenrolle in der „Der kleine Horrorladen“ an den Städtischen Bühnen Münster. Aber vielleicht sei sie einfach dafür prädestiniert, weil sie seit Jahren als Musikerin unterwegs ist und mittlerweile in die professionelle Jazzszene geraten sei. Stefan Huber ist begeistert von der Hauptdarstellerin: „Das ist kein Schleimen – aber Christiane ist eine Auf-den-Punkt-Besetzung!“

Die Idee einer Musical-Adaption ist freilich nicht vom Hans Otto Theater selbst, das Stück feierte in der Bearbeitung von David Yazbek und Jeffrey Lane in derselben Fassung 2010 am New Yorker Broadway Premiere – und wurde umgehend für drei Tony-Awards nominiert. Es sei dort ein Jahr lang jeden Abend gelaufen, „für den Broadway eigentlich kein so großer Erfolg“, sagt Huber. Aber Almodóvar sei hierzulande eben auch bekannter als in New York. Die Musik dazu habe ein amerikanischer Songwriter komponiert, eben so, wie sich ein Amerikaner Spanien vorstellt: mal poppig, mal rockig, mit Latino-Rhythmen.

Für Huber sei das „Musical at its best“ – die perfekte Verknüpfung von Szene und Musik, die Musik greife ständig interaktiv in die Handlung ein und ermögliche den Figuren, sich zu erklären. Das sei auch für die Zuschauer eine gewisse Herausforderung. „Ich habe vor Jahren mal etwas mit dem Potsdamer Intendanten Tobias Wellemeyer in Magdeburg gemacht“, sagt Huber, der aus einer musikalischen Familie stammt, sich aber gegen ein Musikstudium entschieden habe, „weil man da immer üben muss“, und letztlich beim Schauspiel gelandet sei. „Als Wellemeyer mich gefragt hat, ob ich an der Inszenierung Interesse habe – da habe ich nicht lange überlegt und ganz schnell zugesagt.“ Es sei zwar ein ganz schöner Brocken, mache aber Spaß. Und diesen Spaß möchte er gern an das Publikum weitergeben.

Premiere von „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ am Samstag, dem 19. Oktober, um 19.30 Uhr im Hans Otto Theater, Schiffbauergasse

Oliver Dietrich

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