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Kultur: Dramatische Energie

Klaus Büstrin

Stand:

Am 22. September 2006 ist es soweit: Am Havelufer in der Schiffbauergasse wird sich der Vorhang im neuen Haus des Hans Otto Theaters öffnen. In unserer Serie wollen wir an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern, an Künstler auf der Bühne, dahinter und davor, an Schauspiel- und Musiktheaterereignisse, an Episoden aus dem Theaterleben Potsdams.

HEUTE: Eva-Maria Bundschuh

Wenn man die Namen der wunderbaren Sängerinnen und Sänger, die am Hans Otto Theater engagiert waren, Revue passieren lässt, so kommt man nicht ohne Stolz zum Ergebnis, dass Eva-Maria Bundschuh wohl diejenige Künstlerin war, die internationale Ausstrahlung hatte. 1974 aus Chemnitz kommend, wurde die Mezzosopranistin in Potsdam mit der Titelpartie in Bizets Oper „Carmen“ besetzt. Mit ihrem großen singschauspielerischen Talent, das in vielen Farben schillerte, überzeugte sie sofort die Potsdamer Zuschauer – als eine Frau von erotisch-kreatürlicher Kraft. Diese erste Rolle am Hans Otto Theater erarbeitete Eva-Maria Bundschuh, die damals noch mit Familiennamen Arnold hieß, mit der Leipziger Gastregisseurin Renate Oeser. Danach wurde der für sie wohl prägende Regisseur in Potsdam Oberspielleiter Peter Brähmig. Mit ihm hatte sie sehr präzise Rollencharaktere geschaffen. Er hatte ihre schönsten und ureigensten Fähigkeiten erkannt und entwickelte eine Sängerin, die große dramatische Energie besitzt.

Bis 1977 war Eva-Maria Bundschuh am Potsdamer Theater engagiert. Wie weit war der Rollenkreis dieser vielseitig begabten Mezzosopranistin, die noch am Hans Otto Theater ins Sopranfach wechselte! Sie war die Dorabella in Mozarts „Cosi fan tutte“, die Prinzessin Eboli in Verdis „Don Carlos“, Beethovens Leonore, die Violetta in „La Traviata“ (Verdi) oder die vier Frauenpartien in Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. In besonderer Erinnerung ist auch ihre Darstellung der Santuzza in Pietro Mascagnis Oper „Cavalleria rusticana“. Diese Figur wurde zu einem mit innerster Anteilnahme gestalteten Charakter, deren tragisches Schicksal das Publikum unmittelbar und intensiv miterlebte. Gesang und Spiel verschmolzen zu einer organischen Einheit. Neben dem affektgeladenen, blühenden Pathos der italienischen Oper und seiner fest zupackenden Tragik, soll nicht die beseelte Anmut Händels vergessen werden, der sie in Potsdam als Cleopatra in „Julius Cäsar“ einfühlsam und mit Sinn für Komik überzeugend Profil zu geben wusste. Von Potsdam aus gastierte die Sängerin in Händel-Opern auch an der Deutschen Staatsoper Berlin und an der Leipziger Oper.

Die Wandlungsfähigkeit Eva-Maria Bundschuhs konnte man immer wieder bewundern. Auch vor der gemütvollen und eifersüchtigen Josepha Vogelhuber in Ralph Benatzkys Operette „Im weißen Rössl“ wich die ansonsten große Opernpartien singende Sängerin nicht zurück. Aus ihrer beherzten Rollencharakterisierung half sie mit, einen großen Operettenabend am HOT zu gestalten.

Nicht nur als Opernsängerin wollte die Sopranistin an die Öffentlichkeit treten, auch mit dem Liedgut setzte sie sich auseinander und vor allem mit dem Oratorium, bei dem ihr die christliche Verkündigung wichtig war.

Von Potsdam aus ging sie an die großen Opernhäuser Berlins, Europas und Amerikas. Die großen Partien Richard Wagners und Richard Strauss“ wurden ihre Domäne. In konzertanten Aufführungen der Sieglinde in „Die Walküre“ und mit der Salome war sie Ende der neunziger Jahre bei der Brandenburgischen Philharmonie noch einmal in Potsdam zu Gast.

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