Kultur: Draufhauen
„Beating The Drums“ in der Waschhaus Arena
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Der Boden war übersät mit Schlagzeugstöcken, die schon bessere Tage gesehen hatten. Zerbrochen, zerfasert, feucht vom Schweiß wirbelnder Hände hatten ihre Nutzer sie am Freitagabend auf dem Boden der Waschhaus Arena zurückgelassen. Fast zwei Stunden kreierten vor dieser Szenerie aus Verschleiß und Anstrengung Laien, Schlagzeugschüler und professionelle Musiker einen Sound, der einem die Ohren klingen ließ und das Zeug dazu hatte, aktiv und passiv Beteiligte in Trance zu versetzen. Die Macher des Abends, der das Motto „Beating The Drums“ trug, waren keine geringeren als der Schlagzeuger der Band Einstürzende Neubauten, N.U.Unruh, sowie sein Kollege Lars Neugebauer, gebürtiger Potsdamer und aus musikalischen Formationen wie Sandow oder Bombus bekannt.
Regelmäßig bereicherten sie bereits in der Vergangenheit die Potsdamer Kulturlandschaft mit ihren Trommelaktionen, die von Kreativität und Energieüberschuss geprägt sind. Und so hatten die Musiker, die dieses Jahr im Rahmen von „20 Jahre Waschhaus“ von Boom Shack, sowie vom Cikomo Paul & Crunky Town Orchestra unterstützt wurden, auf der Bühne und im Saal zahlreiche Trommelobjekte aufgebaut, die von alten, aufgeschnittenen Blechtonnen über kunstvoll gebogene Metallplatten bis zu klassischen Becken und Schlagzeugtrommeln alles boten, auf Holzgestelle geschraubt waren und ihre Gäste, die eine erstaunliche Durchmischung boten, dazu einluden, sich an allem einmal zu probieren.
N.U.Unruh gab sich als Konzertmeister, kündigte sogenannte„backing tapes“ an – Elektrosounds vom Band, die eine Bandbreite von reduziert bis rhythmisch boten – und spielte als Art Erwärmung erst einmal die französische Nationalhymne ein. Sozusagen als Einstimmung auf den folgenden Samstag, dem 14. Juli, an dem die Marseillaise im Jahr 1795 zum ersten Mal erklang. Dann wechselnde Rhythmen, schweißtreibende Geschwindigkeiten, extatische kraftvolle Schläge, Minimalismus und Eingängigkeit bei dem einen, Rhythmusverliebtheit und schnelles Spiel bei den anderen – hier konnte sich jeder seinen Takt suchen und geriet doch nicht aus dem Tritt. Geschickt lenkten die Musiker von der Bühne aus ihre „Band auf Zeit“ durch das wechselnde Programm vom Band, wechselten ihre Plätze auf der Bühne, gingen ab und kamen wieder, standen plötzlich mitten unter ihren Fans und trommelten mit ihnen an den Objekten vor der Bühne. Um die Trommelarrangements liefen hilfsbereite Musiker mit Taschen um die Schultern, in denen frische Sticks steckten. Die waren dringend nötig, wenn der Saal komplett ausflippte, weil Lars Neugebauer von der Bühne aus zum Chaos aufrief, das sich in ohrenbetäubendem Trommelwirbel entlud und immer neue Runden einläutete. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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