Kultur: Drei Farben Rot
Ton in Ton: Arbeiten Potsdamer Kunstschüler in der Ausstellung „Ich sehe rot“
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Ton in Ton: Arbeiten Potsdamer Kunstschüler in der Ausstellung „Ich sehe rot“ Von Antje Horn-Conrad Bricht jetzt im Frühjahr drängend die Sonne durch, legen sich die Lider schützend über die Pupillen. Inwandig verschwimmt das gleißende Licht in feuriges Orange, später in warmes Rot. Rot - die Farbe zwischen Blut und Glut, Wärme und Aggression, Sanftmut und Aufruhr. In der Malerei kann sie alles sein. Die Kinder und Erwachsenen in den Kursen der Potsdamer Kunstschule haben sich den roten Tönen auf verschiedenen Wegen genähert. Was sie dabei erkannten, ist derzeit in der Ausstellung „Ich sehe rot“ im Kulturhaus Babelsberg zu sehen. Elias Degener hat sich auf das Spiel mit dem Rot nur eingelassen, weil er Orange untermischen durfte. Orange, wie sein Pullover. Das Rot ist seine Farbe nicht. Er findet es königlich, feierlich, aber auch irgendwie böse, ja hexisch. Auf schwarzem Grund hat er die Umrisse einer buckligen Alten gezeichnet, lebensgroß. Gerissenes Papier füllt den Körper aus, gibt der Hexe eine rote Gestalt. Spitz stechen Hacken, Hut und Nase hervor, der runde Rücken – ein Schildkrötenpanzer, über den glattes Glitzerhaar fällt. Manchmal stimmt Rot den neunjährigen Jungen auch milde. Er mag es am Sessel in seinem Zimmer, auf den Dächern der Stadt oder am Himmel, wenn er sich abends rötlich färbt. Das hat Elias schon oft gemalt. Karoline Knappe arbeitet im Moment eher ohne Farbe. Die Farbe, sagt sie, gibt die Idee vor, bestimmt von vornherein die Richtung. Sie aber will sich auf Linien und Strukturen konzentrieren, ihren Blick schärfen für Aufbau und Komposition. In der Förderklasse von Grafiker Peter Panzner findet sie alles, was sie dazu braucht: die geistige Freiheit, genügend Zeit und Inspiration. Schon der Geruch von Firnis, Säure und Terpentin, der sich in der Druckwerkstatt des alten Rathauses mit den Dünsten der benachbarten Ratskellerküche mischt, versetzt die Neunzehnjährige in Erwartung. Beim Drucken ihrer Grafiken hatten sie in der Förderklasse die Idee, das klare, eindeutige Schwarz gegen vollmundiges Bordeaux zu tauschen. Diesen tiefen, leuchtenden Ton mag Karoline mehr und mehr, obwohl ihr Verhältnis zur Farbe Rot ein gespaltenes bleibt: Hier das schreiende, anstrengende Signal, dort der wohlige Ausdruck von Pracht und Wärme. Wenn Karoline beim Malen nicht weiter weiß, spielt sie Klavier. Da hat jeder Ton eine Farbe, jedes Stück eine Landschaft. Die Musik scheint ihr am freiesten. Ganz an der Oberfläche sieht sie die Sprache, darunter die Weiten der Malerei, auf dem Grund aber verliert sich alles in der Unendlichkeit der Musik. Es ist wie ein Freilegen von Schichten. Auf schimmerndem Chinapapier hat Karoline Formschablonen und rote Farbtöne übereinander gelegt. Nichts wird dabei verdeckt. Immer lässt das darüber Liegende, das Hintergründige durchscheinen. Ilona Kuckert findet die Farbe Rot hektisch, lebendig, aufregend. Kein Ruhepol, den sie so sehr braucht, will sie den Bürostress hinter sich lassen. Wenn der Computer aus ist, suchen ihre Augen Entspannung und finden sie in fließenden Blautönen oder purem Weiß. Hier im Erwachsenenkurs der Kunstschule kann sie völlig abschalten, muss nicht reden, nichts beweisen. Die Gedanken bekommen Zeit, Erlebtes zu sortieren, Alltag zu verarbeiten. Und manchmal findet dabei tief Verinnerlichtes einen Weg nach draußen. Für das Projekt „Rot“ hat sich Ilona Kuckert schrittweise an die Farbe heranarbeiten müssen. Aus weichem Draht entstand ein Gerüst, dessen Streben mit winzigen roten Transparenten verbunden wurden. Krümmungen brechen allzu gerade Linien. Verschiedene Winkel geben immer wieder überraschende Einblicke frei. Das Gebilde scheint in Bewegung. Hier und da rebelliert ein blaues Transparent gegen die Allmacht der Farbe Rot. Rathaus Babelsberg, Karl-Liebknecht-Str.135, Mo-Fr 10-18 Uhr, bis 18.4.
Antje Horn-Conrad
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