zum Hauptinhalt

Potsdam: Dreifach Thalbach auf dem Pfingstberg

Kaum ertönt die einmalig knarzige Stimme von Katharina Thalbach, geht ein freudiges Lachen durch das Publikum. Vor der romantischen Kulisse des Belvederes auf dem Pfingstberg sitzen viele gut gelaunte Frauen und ein paar Männer, um Katharina, Tochter Anna und Enkelin Nellie Thalbach im Theaterstück „Witwendramen“ zu hören und zu sehen.

Stand:

Kaum ertönt die einmalig knarzige Stimme von Katharina Thalbach, geht ein freudiges Lachen durch das Publikum. Vor der romantischen Kulisse des Belvederes auf dem Pfingstberg sitzen viele gut gelaunte Frauen und ein paar Männer, um Katharina, Tochter Anna und Enkelin Nellie Thalbach im Theaterstück „Witwendramen“ zu hören und zu sehen. Dass die Herren in der Minderheit sind, liegt wohl auch daran, dass die Veranstaltung im Rahmen des Festivals der Frauen vom Autonomen Frauenzentrum Potsdam organisiert worden ist. Die zuständige Ministerin Diana Golze sprach politisch-erbauliche Worte zur Begrüßung.

Ganz anders ging Johann Wolfgang von Goethe das epische Witwenthema an, als er Mephisto zu Frau Marthe sagen ließ: „Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen.“ Ein bisschen doppelbödige Ironie muss wohl sein bei einem Stück rund um die Frauen, die „immer wissen, wo ihr Mann ist“, wie Eugen Roth einst süffisant sagte. Mit seinen reichen Gefühlsfacetten zwischen Jammer und Wut, Komik und Groteske ist das Stück von Fitzgerald Kusz ein gefundenes Fressen für die drei Generationen Thalbach. Die Collage aus Gedichten, Geschichten, Witzen und Sprichwörtern ist wie ein Flickenteppich zusammengesetzt, wirkt aber in der lebendigen Wiedergabe umso bunter.

Katharina Thalbach gibt die Witwe alten Stils, die sich stets den Wünschen ihres Herrn und Gebieters untergeordnet hat. Sie durchlebt jammernd, brabbelnd und krächzend die Geschichte ihrer Unterdrückung bis hin zu ihrem veritablen und makabren Befreiungsschlag. Auf die Frage, warum sie es mit diesem Eheteufel solange ausgehalten habe, kommt die Antwort, dass sie halt sein Geld, ihr „Schmerzensgeld“, wollte. Ob dieser Typus der ergebenen und abhängigen Ehefrau, die nur durch ihren Mann lebt, überhaupt noch existiert, ist die Frage.

Doch es kommen noch viele andere zu Wort, die habgierige Witwe (Jackie Kennedy-Onassis), die das Erbe ihres Mannes bewachende Witwe (Yoko Ono), die männerverzehrende Witwe (Alma Mahler-Werfel), die eifersüchtige Witwe (Helene Weigel), die nüchterne Witwe (Gottfried Benns dritte Ehefrau), die gewiefte Witwe (Cosima Wagner), die Witwe, die in der Vergangenheit lebt (Margot Honecker). Auch die über den Tod hinaus liebende Witwe (Nadeshda Mandelstam) findet einen Platz in dieser abwechslungsreichen Figurenrevue.

Neben dem Alphatier Katharina Thalbach wirken Tochter Anna und Enkelin blasser, haben aber auch nicht so einen eindrucksvollen Part wie diese. Anna steckt ihr Temperament in die Geschichte vom Objekt der weiblichen Begierde, die den Mann in der Wohnung über ihr auf Schritt und Tritt überwacht. Die erst 22-jährige Nellie trägt mit mädchenhaft heller Stimme Gedichte vor, die sich häufig in Traueranzeigen finden – von Salomo bis zu Michelangelo.

Doch die lyrischen Einschübe werden von den heftigen Witwen-Witzen überlagert. Dabei bekommen durchaus beide Seiten etwas ab, wie bei diesem: Was macht eine Frau, wenn ihr Mann aus dem Fenster springen will? Sie gibt ihm den Müll mit. Zweifellos ist es da besser der zweite Mann einer Witwe zu sein, wie es in einem spanischen Sprichwort heißt. Viel Beifall belohnte den amüsanten Abend mit den großartigen Thalbach-Frauen. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })