zum Hauptinhalt

Kultur: „Drinnen“ und „draußen“

Heinz Bude sprach über „Die Ausgeschlossenen“

Stand:

Dass in Zeiten des Mangels Utopien entstehen, behauptete schon Ernst Bloch. Dass es in einer Überflussgesellschaft wie der unsrigen Mangel geben könnte, ist auf dem ersten Blick schwer kenntlich zu machen. Der Hamburger Soziologieprofessor Heinz Bude beschrieb in seinem kürzlich erschienenen Buch „Die Ausgeschlossenen – Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft“ einen besonderen Mangel unserer Berliner Republik: den Mangel an Gerechtigkeit.

Bei seinem Vortrag in der Landeszentrale für politische Bildung gab es jedoch keinen Mangel an interessierten Zuhörern. Eher einen Mangel an Stühlen, die eilends herbei geschafft wurden. In seiner ausschließlich frei gesprochenen Rede, beschrieb Bude zunächst den Zustand unserer Gesellschaft, in der es deutlich eine soziale Spaltung zu beobachten gäbe. Es wäre nicht mehr die klassische hierarchische Trennung in „unten“ und „oben“, sondern eine Spaltung in „draußen“ und „drinnen“ zu verzeichnen.

Bei Telefonbefragungen hätten etwa acht Prozent der Befragten sich als außerhalb der Gesellschaft befindlich beschrieben. Wenn man davon ausginge, dass etwa drei Prozent der Bevölkerung keinen Telefonfestanschluss besäßen, so müsste man etwa zehn Prozent unserer Gesellschaft als „Ausgeschlossene“ annehmen.

Bude teilte diese Ausgeschlossenen in drei Gruppen ein: bildungsmüde Jugendliche, die an den Hauptschulen etwa einen Anteil von 20Prozent ausmachten und häufig keine Schulabschlüsse erzielten. Alleinerziehende Mütter mit pubertierenden Kindern, die selten in den ersten Arbeitsmarkt hineinkämen. Ermüdet und ermattet auch wenig Kraft zur Verfügung hätten, sich noch einmal neuen Herausforderungen zu stellen. Die dritte Gruppe, DDR-Agrarfacharbeiter zwischen 50 und 60 Jahren, wäre ausschließlich in den neuen Bundesländern angesiedelt. Sie hätten weder Mut noch Geld, sich etwas Neues aufzubauen. Im Gegensatz zu den Frauen, die sich oft westwärts auf den Weg gemacht hätten, verharrten sie auf ihrer Scholle. In die oft sehr aufwendig und pompös angelegten Projekte für die ländliche Regionen (Golfhotels, Pferdehöfe, Wellneshotels) wäre diese Gruppe nicht integrierbar. Sie störten vielmehr die behäbige Wohlhabenheit der neu Angesiedelten.

Zusammenfassend wies Bude noch einmal darauf hin, dass die Logik der Spaltung nicht eine Logik der Hierarchie wäre. Dass die Spaltung nicht auf Arbeitslosigkeit und Armut zu beschränken sei. Im Gegenteil: die Globalisierung hätte in den letzten Jahren eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit um die Hälfte bewirkt. Und dennoch hätte sich die beschriebene Spaltungssituation nicht verändert.

Im anschließenden Gespräch wurde Bude nach den Gründen der Exklusion befragt, die er in der zunehmenden funktionellen Arbeitsteilung, in einer Veränderung der Geschlechterverteilung, in einer Transformation des Wohlfahrtsstaates (Agenda 20.10) sah. Durch die zunehmende Europäisierung der Gesellschaft wäre eine Spaltung bis zu einem gewissen Grade hinzunehmen. Andererseits gäbe es noch zuviel „Staat“ mit einer übergroßen Mittelverwendung. Gerade diese Mittel wären dringend nötig, um die soziale Schutzfunktion des Staates für die Bürger im notwendigen Transformationsprozess zu vergrößern. Hier gäbe es noch viel Änderungs- und Hoffnungspotential.

Aber es gäbe auch keine Rückkehr zum Wohlfahrtsstaat und zum Neoliberalismus. Ein hoffnungsvolles Schlusswort, das Utopisches durchschimmern ließ. Möglicherweise. Barbara Wiesener

Barbara Wiesener

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })