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Kultur: Dunkle Facetten einer Stimme
Andrea Schroeder am Abgrund der Melancholie
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Wie ein dunkler Engel steht sie am Mikrofon – schwarzes, tief ausgeschnittenes Kleid und eine kurze, plüschige, ebenfalls schwarze Weste darüber, die an dichte Engelsflügel erinnert. Mit sparsamen Bewegungen, minimalistischen Texten und ohne jedes Zwischengeplänkel begegnet die Singer-Songwriterin Andrea Schroeder dem Potsdamer Publikum, das sich am Freitagabend im Nikolaisaalfoyer zur Eröffnung der „the voice in concert“-Saison 2013/2014 eingefunden hatte.
Es hätte voller sein können in dem kleinen Foyer. Und als dann während der ersten Konzerthälfte auch noch eine gewisse Irritation im Publikum zu spüren war, wuchs die Sorge, nach der Pause mit einer stark reduzierten Anzahl von Gästen die zweite Hälfte des Konzertes zu genießen. Denn ein Genuss war es, was die Wahlberlinerin Andrea Schroeder, die vor einem Jahr mit ihrem Album „Blackbird“ für große Aufmerksamkeit bei Kritikern und Musikliebhabern sorgte, während ihres Potsdamer Konzerts ablieferte.
Die Band, die sie vor allem mithilfe des Internets zusammengestellt hatte, ist international. Bassist und Schlagzeuger sind Australier, ihre Geigerin, eine reizende Blondine mit unglaublicher Energie, ist Belgierin und ihr Gitarrist kommt aus Dänemark. Auch die Instrumentierung ist eine spannende Mischung. Neben ihren Kollegen an den eher klassischen Instrumenten spielt die Sängerin selbst Harmonium und die sogenannte Shruti-Box, ein indisches Instrument, das vor allem zur Meditation genutzt wird und für ein Knarzen und Raunen in der Musik der Band sorgt.
Doch eigentlich sind all diese Zutaten nichts ohne die Stimme der Musikerin. Dunkel und eindringlich, erinnert sie an einen weiblichen Nick Cave oder Patty Smith. Die Farbigkeit ihrer Stimme, die auch von Moderator Lothar Jänichen in den höchsten Tönen gelobt wird, bewegt sich zwischen einem dichten Schwarz, einem dunklen Blau und einem tiefen Rot. Ihre Texte, vertonte Gedichte und Selbstgeschriebenes, sind minimalistisch und melancholisch, voller Naturbilder und nächtlicher Stimmungen. Selbst die, die kein so gutes Englisch sprechen, begreifen aufgrund der Schlichtheit der Musik und der stetigen Wiederholung einzelner Textzeilen die dunkle Melancholie der Bilder, die Andrea Schroeder lebendig werden lässt.
Ihre Stimme, die nicht mit vielen Klangfarben spielt, sondern sich konsequent ihrer dunklen Farbpalette bedient, bekommt die Unterstützung eines zurückgenommenen Schlagzeuges, eingängiger einfacher Bassläufe und einer eher dunkel gespielten Geige. Nur selten bricht die Band aus diesem dicht gewebten Netz, um sich leidenschaftlich und schmerzvoll doch einmal zu voller Stimmgewalt zu erheben. Dann steigt die Aufmerksamkeit im Publikum, das sich auch nach der Pause vollständig versammelt und sich mit Hingabe in diesen dunklen, melancholischen Abgrund ziehen lässt.
Alle lassen sich mit in diese Musik fallen, die so viel Bildhaftes hat und an Filme von Truffaut, Jim Jarmusch oder die der Coen-Brüder erinnert. Umso schwerer fällt dann der Abschied von der Musikerin, das Auftauchen aus den dunklen Tiefen ihrer Musik und ihrer Texte, die einen in sonderbar schwerer Stimmung zurücklassen.Andrea Schneider
Andrea Schneider
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