Von Dirk Becker: Durchaus hübsch anzuschauen
Im Potsdam-Museum ist der erste Teil der Ausstellung „100 Jahre – 100 Exponate“ eröffnet worden
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Fast übersieht man ihn, den Nautiluspokal. Dieses kunstvolle, detailreiche und so filigrane Gefäß, das auf Plakaten, Handzetteln und einem kostenlosen Faltblatt für die am Mittwoch Abend eröffnete Ausstellung „100 Jahre – 100 Exponate“ im Potsdam-Museum wirbt. Ein wirklicher Blickfang, der sofort Neugier weckt. Ein geschickter Schachzug von Seiten der Museumsmitarbeiter, damit auf ihre Ausstellung aufmerksam zu machen. Weniger geschickt dagegen ist die Platzierung des Nautiluspokals in der Ausstellung.
Im zweiten der insgesamt vier Ausstellungsräume in der Benkertstraße steht der Nautiluspokal in einer Vitrine, fast in der Ecke, neben anderen Gefäßen. Ein wenig verloren wirkt er dort, reichlich unspektakulär. Dazu der dürftige Hinweis, dass dieses Exemplar um 1880, nach einem Nürnberger Vorbild aus dem 17. Jahrhundert, entstanden ist. Mehr Information gibt es nicht. Entweder weiß der Besucher, dass diese Gefäße aus den Schalen des Nautilus belauensis, einem krakenähnlichen Meerestier, hergestellt wurden, das vor allem rund um Indonesien beheimatet ist. Dass schon im Spätmittelalter solche Nautiluspokale in den Kuriosenkabinetten gesammelt wurden. In der Renaissance und dem Barock dann immer prunkvoller verziert, den hohen Herrschaften als Behälter für Besteck oder Serviette dienten und später zu begehrten Sammlerobjekten wurden. Oder der Besucher ist ahnungslos und denkt sich nur: Durchaus hübsch anzuschauen, so ein Nautiluspokal, macht sich bestimmt auch gut in meiner Schrankwand.
„100 Jahre – 100 Exponate“, so der Titel der Ausstellung, der sich sehr schnell als Mogelpackung entpuppt. Es sind nicht 100 Jahre Museumsgeschichte, die hier präsentiert werden, sondern nur 51. Dementsprechend sind auch nicht 100 Exponate aus den Beständen des Potsdam-Museums zu sehen. Die aktuelle Ausstellung ist nur der erste Teil von „100 Jahre – 100 Exponate“. Er umfasst die Zeit von der Museumsgründung im Jahr 1909 bis zum Jahr 1960, wo im Potsdam-Museum als „Bezirksheimatmuseum“ eine neue, stark von der Ideologie der DDR-Politik beeinflusste Dauerausstellung präsentiert wurde. Der zweite Teil, der von 1960 bis ins Heute reicht, soll im kommenden Frühjahr folgen.
Eines macht die Ausstellung schon nach dem ersten, kurzen Rundgang deutlich. Das Potsdam-Museum braucht dringend das neue Haus. Und man spürt die eigene Ungeduld, denn erst Anfang 2012 wird sich das Museum mit einer Dauerausstellung am neuen Standort in den sanierten und umgebauten Räumen des Alten Rathauses präsentieren können. Bleibt zu hoffen, dass das Gezeigte dann mehr bietet, besser informiert und den Besucher wirklich mitnimmt, auf eine Reise in die Vergangenheit. Denn das kann die Ausstellung „100 Jahre – 100 Exponate“ nur ansatzweise leisten.
Vier Räume, vier Zeitabschnitte, so ist die Ausstellung konzipiert. Von „Ein Stadtmuseum für Potsdam – von der Gründung 1909 bis zur Schließung 1934“ geht es zu „Die Städtische Sammlung – zwischen Kriegsverlust und Neubeginn“ über „Auf der Suche nach der verlorenen Stadt“ dann „Zurück zur Kunst – die Wiederaufnahme des regionalen Kunstbetriebes“. Jeder Raum ist in einer anderen Farbe gehalten. Warum, das erschließt sich leider nicht. Angenehm ist, dass die Ausstellungsmacher sich auf wenige Exponate beschränken, die einführenden Texte kurz und übersichtlich gehalten haben. So strahlt das alles eine Ruhe aus, die gleichzeitig etwas Einladendes hat, das einen reizt, sich eingehend mit einzelnen Ausstellungsstücken auseinanderzusetzen. Wie beispielsweise mit dem großen Panoramagemälde von Eduard Freyhoff, das den „Blick auf Potsdam vom Brauhausberg“ im Jahr 1839 zeigt.
Doch zu oft wird der Besucher sich selbst überlassen, wie bei dem Nautiluspokal oder im letzten Raum, wo das Bild „Die kranke Maschine“ von Magnus Zeller hängt. 1949 hatte der in Caputh lebende Maler dieses Bild fertiggestellt. Im selben Jahr kaufte das Potsdam-Museum das Gemälde. Die Stadtverordneten hatten die beachtliche Summe von 16 000 Mark für Ankäufe zur Verfügung gestellt, denn während des Zweiten Weltkrieges waren drei Viertel der Bestände des Museums verloren gegangen. Allein 3000 Mark hat sich die Stadt das Bild von Magnus Zeller kosten lassen. Damals eine horrende Summe. Warum dem Museum dieses Gemälde so viel Wert war, erfährt der Besucher nicht. Wer auf solche einfachen, aber wichtigen Informationen verzichtet, hat mit seiner Ausstellung schon verloren.
Die Ausstellung „100 Jahre – 100 Exponate“ ist bis zum 1. November, dienstags bis sonntags, jeweils von 10 bis 18 Uhr, im Potsdam-Museum, Benkertstraße 3, zu sehen. Der Eintritt kostet 4, ermäßigt 2 Euro
Dirk Becker
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