Kultur: Echt? Falsch?
Daniel Kehlmann stellte „F“ in der Reithalle vor
Stand:
Sie sind eine wunderbare Kombination. Auf der einen Seite der Autor Daniel Kehlmann, bekannt geworden mit der „Vermessung der Welt“, und der mit seinem aktuellen Familienroman „F“ den Seiten der Feuilletons gerade wieder jede Menge Gesprächsstoff bietet. Auf der anderen der angenehm zurückgenommene und sympathische Übersetzer Bernhard Robben, der, der 2012 bei der Übersetzung von Tom McCarthys Roman „K“ ebenfalls mit einem Einbuchstabentitel in Berührung gekommen ist. Beiden gemeinsam ist außerdem die Liebe zum Autor John Burnside, das zumindest erwähnte Daniel Kehlmann während des halbstündigen Gesprächs mit dem Übersetzer und Moderator am Dienstag bei seiner Buchvorstellung in der ausverkauften Reithalle.
Kurzweilig, bildhaft und intelligent führte Robben in die Handlung von „F“ ein, in die Geschichte um die drei Brüder Martin, Iwan und Eric. Der Leser trifft Martin, den fresssüchtigen, am eigenen Glauben zweifelnden Priester mit einer schon professionellen Liebe zum Spiel mit dem sogenannten Zauberwürfel, einem Phänomen der 80er-Jahre, Eric, den skrupellosen Finanzhai, und seinen Zwillingsbruder Iwan, schwul und Kunstfälscher. Daniel Kehlmann hatte für seine Lesung das erste Kapitel ausgewählt. Es ist eine Rückblende in die Kindheit der drei Jungen. Sie besuchen zusammen mit ihrem Vater Arthur Friedland die Vorführung des großen Hypnotiseurs Lindemann. Dieser Besuch wird ihr Leben verändern, denn danach sehen sie den Vater viele Jahre nicht wieder. Kehlmann, der sich in seiner Jugend viel mit Zauberei beschäftigt hat und dies schon in seinen ersten Roman „Beehrmanns Vorstellung“ einfließen ließ, ist auch mit Worten ein Magier. Scheinbar leichtfüßig und mit schauspielerischem Talent erweckt er die Szenerie zum Leben und bewies sein großes Talent als Vorleser.
Auch Robben ist gefangen von den Bildern und Gefühlen, die Stimme und Text bei ihm auslösen, und geht darum nach der Lesung in seiner ersten Frage an den Autor auf die Suggestion und Hypnosefähigkeit von Literatur ein. Der antwortet mit einem Zitat des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel Garcia Márquez, wonach ein Roman immer so geschrieben sein muss, dass der Leser nie aufwache. Aber letztendlich werde der Leser immer durch die Literatur geprägt, die dieser konsumiert. Die Interpretationen des Titels „F“, die Robben unter anderem fragen ließen, ob der Roman tatsächlich ein echter Kehlmann sei oder vielleicht eine „Fälschung“, antwortete Kehlmann prompt und ehrlich. Seine Geschichte sei sehr ernst gemeint und er sei auch nicht der Autor Arthur Friedland aus dem Buch. Er wolle eine Familiengeschichte erzählen, da er diese Art von Roman eigentlich nicht möge und er wolle auch den Vertrag mit dem Leser, den er ja immer wieder eingehe, nicht brechen. Also kein Betrug. Überhaupt: Fälschung oder Original. Auch über diese Frage sinnierten die beiden Männer ausführlich. Was ist Fälschung an der Arbeit Iwans, der einen mittelmäßigen Maler protegiert, für ihn Bilder malt und mit ihnen hohe Preise auf dem Kunstmarkt erzielt?
Die Frage, ob echt oder falsch ist immer ein Spiel mit Argumenten und außerdem wichtiger Bestandteil eines Gespräches zwischen zwei Männern auf Augenhöhe, die auch über die Ritter der Tafelrunde, die homerische Welt und die Sprache verschlüsselter Botschaften im Alltag so unterhaltsam zu plaudern verstanden, dass über das Ende des Gesprächs nur die erneute Lesekunst des Autors hinwegtäuschen konnte. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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