Kultur: Eiersuche mit Überraschung Das Osterkonzert der Kammerakademie
„Zartblau, rein ist das Schneeglocken-Blümchen, und daneben der durchscheinende letzte Schneerest“, heißt es in einem Gedicht des russischen Poeten A. Majkow, „die letzten Tränen von vergangenem Kummer und die ersten Träumereien von neuem Glück“ Sie stehen als Motto über dem „April“-Stück aus dem pianistischen „Jahreszeiten“-Zyklus op.
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„Zartblau, rein ist das Schneeglocken-Blümchen, und daneben der durchscheinende letzte Schneerest“, heißt es in einem Gedicht des russischen Poeten A. Majkow, „die letzten Tränen von vergangenem Kummer und die ersten Träumereien von neuem Glück“ Sie stehen als Motto über dem „April“-Stück aus dem pianistischen „Jahreszeiten“-Zyklus op. 37 von Peter Iljitsch Tschaikowsky und lenken des Hörers Empfindungen bewusst in eine bestimmte Richtung. Auch die anderen elf Monate tragen solche „Hinweisschilder“, die ihnen einst Verleger Nikolai Bernard verpasst hatte. Der Komponist hielt sich bei seiner monatlichen Miniaturmalerei getreu daran. Anders als Vivaldi in seinem lautmalerischen „Vier Jahreszeiten“-Zyklus liebt der Russe die melancholisch kolorierte Stimmungsmalerei, das Ausbreiten intimer, seelenerwärmender Klänge.
In einer Bearbeitung für Streichorchester (Tatjana Schatz/David Geringas) lag diese Zusammenstellung nun als Überraschungsei im imaginären Osternest, das die Kammerakademie Potsdam den Musikfreunden am Ostersonntag im Nikolaisaal ausgelegt hatte. Man brauchte nicht lange danach zu suchen, sondern nur andächtig zu lauschen. Jenny Weichert vom Hans Otto Theater geleitet durch die Zeitabschnitte, indem sie die den Stücken vorangestellte Poesieprosa vorträgt. „Am Kamin“ lassen uns Alexander Puschkin und sein tonsetzender Mittler den Januar erleben. Dirigent Michael Sanderling und seine Musiker deuten ihn elegisch bis elegant, während sie dem Februar karnevalsbuntes Treiben verleihen. Monat für Monat zieht so als romantische, delikat gespielte Klangergießung vorüber.
Ob erwartungsfroh (Mai), gefühlvoll bis leidenschaftlich (Juni), energisch (September) oder walzerselig (Dezember) – alle Jahresteile klingen leicht eingedunkelt. Was natürlich an der Bearbeitung liegt, die sowohl den Klaviersatz als auch des Komponisten Mentalität feinfühlig auf den Streicherapparat übertragen hat. Der funktioniert nahezu perfekt, hält die Klangerfindungen leicht und transparent. Man bemüht sich durchweg um eine differenzierte, feinschattierte und filigran dynamisierte Ausdeutung. Im milden März singt Konzertmeister Peter Rainer ein sehnsuchtsvolles „Lied der Lerche“, um im melancholischen Oktober ein ebensolches „Herbstlied“ anzustimmen.
Danach liegen noch zwei (Klang-)Ostereiern im Nest, allesamt aus der Tschaikowsky-Werkstatt. Wie dessen „Souvenir d’un lieu cher“ (Erinnerungen an einen liebgewonnenen Ort) op. 42, das Alexander Glasunow für Violine und Orchester bearbeitet hat. Melancholischer Bläsergesang mischt sich eingangs mit sonor tönenden Streichern zu einer klangfülligen „Méditation“. Danach folgt ein elfengleich huschendes, pizzicatoreiches „Scherzo“, dem wiederum ein lyrischer „Mélodie“-Satz. Klangschön, klaren und glanzvollen Tons, dem alles Süßliche fremd ist, spielt Peter Rainer die drei Sätze. Brillant tanzt er auf den Saiten, um sich wenig später ganz von schmachtender Seite zu zeigen. Alles steht dabei unter rationaler Kontrolle, was dem Stück allen sentimentalischen Edelkitsch austreibt.
Die abschließend entdeckte „Mozartiana“-Suite op. 61 zeigt den Komponisten als glühenden Verehrer des Salzburger Meisters. Was da farbenreich für großes Orchester instrumentiert ist, wird nicht weniger facettenreich wiedergegeben. Dieser Osterspaziergang mit seinen Entdeckungen hat richtig Spaß gemacht, was der anhaltende Beifall nachdrücklich verkündet.
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