Kultur: Ein 90jähriger Klangschatz
Collegium musicum in der Friedrichskirche
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Er ist ein orientalischer Supermann. Wie aus Aladdin, Sohn eines Schneiders, Taugenichts und Tagesdieb mit Hilfe des Geists aus der Lampe der glücklichste und reichste Mann seines Landes wird, erzählt das weltberühmte Märchen aus der Sammlung der 1001 Nächte. Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, verfilmt und sogar vertont.
Der dänische Komponist Carl Nielsen schuf 1918 die wohl einzige musikalische Fassung von „Aladdin und die Wunderlampe“. Jetzt hat das Collegium musicum diesen Klangschatz ausgegraben und in der Friedrichskirche unter der Leitung von Knut Andreas aufgeführt. Die als „Literarisches Sommerkonzert“ angekündigte Version war dramaturgisch geschickt gestaltet und sprach jüngere und ältere Zuschauer an. Einziger Wermutstropfen sind die kirchlichen Räumlichkeiten. Weder für das Publikum noch für die Akteure eignen sie sich sonderlich, zum anderen auch aus grundsätzlichen Erwägungen.
Kaum mehr als eine gute Idee blieb der Auftritt einer Bauchtänzerin aus Teltow namens Aladdina. Mangels Bühne und Sichtgelegenheit konnte man die prächtigen Kostüme, den Glitzerschmuck, die irisierenden Schleier, die gesamte Körperkunst der Aladdina beim „Hindu Tanz“ und beim „Tanz der Morgennebel“ kaum wahrnehmen, geschweige denn würdigen. Und überhaupt: Bauchtanz in der Kirche?
Dass ein so engagiertes Laienorchester in solch beschränkten Räumlichkeiten auftreten muss, ist schade. Dabei ist dies auch ein gutes Exempel engagierter Kulturarbeit für viele Menschen. Auch das „Literarische Sommerkonzert“ war eine gelungene Veranstaltung. Die Schauspielerin Bettina Mahr trug mit leicht rauchiger Stimme, in Fez und roter Jacke, eine geschickt gekürzte Version des Märchens vor. Das junge Vokalensemble Potsdam sang unter der Leitung von Gabriele Tschache drei ebenso anspruchs- wie klangvolle Vertonungen chinesischer Gedichte von Peter Wittrich, einem zeitgenössischen Komponisten. Selbst hier blieb ein dramaturgischer Bezug gewahrt, denn das Aladdin-Märchen spielt in China. Mit seinen grenzüberschreitenden, multikulturellen Verflechtungen zwischen Orient, Asien und Afrika gibt es auch ein Beispiel von kulturellem Austausch in vorglobalisierten Zeiten. Damit bot es willkommene Anlässe für solch facettenreiche Klangminiaturen wie den „Orientalischen Festmarsch“, „Chinesischen Tanz“ und einen „Negertanz“. Einen besonderen Höhepunkt bildete „Der Marktplatz von Isfahan“. Gleich vier Musikgruppen spielten hier in verschiedenen Ton- und Taktmaßen gegeneinander an, wozu drei Dirigenten nötig waren. Solch eine Simultanmusik aus vortechnischen Epochen hört man auch nicht jeden Tag. Unter der Leitung von Knut Andreas, mit Unterstützung von Philipp Schüler, machte das Orchester seine Sache sehr gut. Besonders die Blechbläser, die Oboe und die Schlagzeuger statteten das Märchen von Aladdin mit dramatischem Drive und exotischen Klangfarben aus. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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