Kultur: Ein Abend für den Liebhaber
Die Berliner Vocal-Concertisten im Nikolaisaal
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Die Romantik, macht man sie an Besucherzahlen fest, hat ausgedient. Die knapp 50 Zuhörer am Freitag im Nikolaisaal wirkten arg verloren zwischen der Übermacht leerer Plätze. Der Berliner Kammerchor Vocal-Concertisten unter Leitung von Kristian Commichau wollte Mond und Sterne tanzen lassen mit romantischer Chormusik von Schubert und Brahms. Es wurde ein Abend für Liebhaber dieser manchmal antiquiert wirkenden Sangeskunst. Ein Abend, an dem man unter sich blieb, wie Commichau in seinem Schlusswort nach knapp zwei Stunden gelassen feststellte. Zuletzt war Commichau im Februar mit dem Potsdamer Universitätschor Campus Cantabile und der Sinfonietta Potsdam im Nikolaisaal. Bachs Johannespassion an zwei Abenden vor vollem Hause. Zwei wundervolle Abende, an denen Commichau seinen studentischen Laienchor zu Höchstleistungen trieb.
Auch die Vocal-Concertisten, von Commichau 1987 gegründet, sind ein Laienchor. Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe, die Zusammenarbeit mit dem Bariton Thomas Quasthoff und die Aufführung zweier Opern, darunter Purcells „King Arthur“ zeigen, dass dieser Chor höchste Ansprüche an sich stellt.
Johannes Brahms (1833-1897) vier Quartette op. 92 zum Auftakt, ein mal tastendes, dann wieder verspieltes Duett zwischen Frauen- und Männerchor. Es folgten Brahms vier Gesänge für Frauenchor op. 17 im Wechsel mit drei Liedern von Franz Schubert (1797-1828). Das Tragische der Brahmsschen Gesänge aufgebrochen durch das feine, hoffnungsvollere Gespinst Schuberts. Julia Meinicke hier als Solistin zusammen mit dem Männerchor. Ihr Sopran anfangs noch ein sehr zartes Vöglein, das erst im Laufe des Abends zu mehr Kraft und Selbstvertrauen findet. Höhepunkt hier Brahms „Gesang aus Fingal“, die Vertonung eines Textes aus der Sage des Keltenkönigs Fingal. Dramatischer Klagegesang über den Tod eines gefallenen Jünglings, skandierend, sich aufbäumend um dem Zusammenbruch zu entgehen, erweist sich Commichau als gefühlvoller und höchst aufmerksamer Dirigent seines Frauenchors.
Nach der Pause die Liebeslieder-Walzer op. 52 von Brahms, nach Texten von Georg Friedrich Daumer. Insgesamt 18 Gesänge über Liebeslust und Liebesleid. Da toben die „wilden Glutgefühle“, „ist so schwer dein Herz“, singt die Nachtigall so schön, ist die Liebe gar ein „dunkeler Schacht“. Allzu schnell können diese Liebeslieder in Schmachten und Geseufz ersaufen. Doch Commichau ist auf der Hut. Er lässt seinen Chor an der Klage keine Lust empfinden, lässt den Liebeszorn etwas verhalten köcheln und im Jubilieren immer das Tragische durchscheinen. So entsteht ein Spannungsfeld, das dem Spiel der Sängerinnen und Sänger die größerer Aufmerksamkeit schenkt und das oftmals allzu Gestelzte der Texte dezent in den Hintergrund rücken lässt. Begleitet wird der Chor an diesem Abend von der Pianistin Stefanie Leitinger, eine perfekte Wahl. Denn Leitinger spielt ganz im Dienste des Chores, untergeordnet, auf jeglichen Effekt verzichtend. Dass sie auch anders kann, zeigt sie im kurzen Zwischenspiel mit dem Intermezzo A-Dur Nr. 2 op. 118 von Brahms. Die wenigen Gäste am Ende voller Dankbarkeit für diesen romantischen „Mond- und Sternentanz“. Dirk Becker
Dirk Becker
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