zum Hauptinhalt
Zwei Meister, zwölf Saiten. Karsten Intrau und Guilherme Vincens (r.).

© Lucas Teixeira

Kultur: Ein Abend für die Gitarre

„Klassik am Weberplatz“ sorgte unter dem Motto „Gitarrissimo“ für einen feinen Zauber

Stand:

Der Blick auf das Programm ließ wegen der Länge kurz Skepsis aufkommen. Doch es wurde ein genussvoller Abend, an dessen Ende man sich fragte, warum er nur einmal im Jahr stattfindet.

Es war ein Abend, der der Gitarre gehörte, zu dem die „Klassik am Weberplatz“ am Samstag eingeladen hatte. Ein Orchester, zwei Solisten und dieses besondere Flair, wenn der Weberplatz vor der Friedrichskirche langsam von der Nacht geschluckt wird. Keine klassische Konzertsaalatmosphäre, die vor allem von Ernsthaftigkeit geprägt wird. Was Dirigent Knut Andreas hier mit seinen Musikern seit mittlerweile vier Jahren bietet, ist ein regelrechtes Familien-, vielleicht sogar Stadtteilfest unter freiem Himmel. Und Andreas zeigt so, dass ein anspruchsvolles, musikalisches Programm, ein aufmerksames Publikum in Liegestühlen mit Picknickkorb und Kinder, die um das Gelände toben, keine Gegensätze sein müssen. Im Gegenteil, als der brasilianische Gitarrist Guilherme Vincens den „Choros No. 1“ von Heitor Villa-Lobos und später zusammen mit dem Potsdamer Gitarristen Karsten Intrau „Jongo“ von Paulo Bellinati spielte, schien es, als würden selbst die Wildesten unter den Kleinen lauschen. Es waren die stärksten und intimsten Momente an diesem Abend.

Begonnen hatte dieser Abend, der unter dem Motto „Gitarrissimo“ stand, mit dem Konzert für zwei Gitarren und Streichorchester von Antonio Vivaldi. Ursprünglich für zwei Mandolinen geschrieben, gaben sich Vincens und Intrau hier mit ihren Sechssaitern eher zurückhaltend. Eine leichte, verspielte Konservation unter zwei Gleichgesinnten, die Knut Andreas mit dem Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam sensibel begleitete. Erstaunlich, wie leise er hier die Streicher agieren ließ, sodass sich das fast zarte Spiel der beiden Gitarristen ohne unnötige Forcierungen entfalten konnte.

Große Aufmerksamkeit galt an diesem Abend Karsten Intraus Interpretation des „Concierto de Aranjuez“ von Joaquín Rodrigo, das als das bekannteste Gitarrenkonzert überhaupt zu bezeichnen ist. Rodrigo hat hier die Gitarre mit erstaunlicher Kühnheit in den Mittelpunkt gestellt, sodass schon fast der Eindruck entsteht, hier misst sich erfolgreich ein Soloinstrument mit einem ganzen Orchester. Hoch virtuos sind hier die Anleihen aus dem Flamenco, denen sich Intrau mit Mut und hartem Anschlag stellte. Auch wenn gelegentlich etwas danebenging, vor allem im dritten Satz Orchester und Gitarre mit leichten Unstimmigkeiten zu kämpfen hatten, entstand ein feiner Zauber, den Guilherme Vincens nach der Pause mit Rodrigos „Fantasía para un Gentilhombre“ weiterzutragen wusste. All das aufgelockert durch die angenehme Moderation von Knut Andreas im Plauderton.

Zum Abschluss das sehr selten zu hörende Konzert für Gitarre und Orchester Nr. 1 in D-Dur op. 99 von Mario Castelnuovo-Tedesco, für das der Dirigent neben Karsten Intrau auch Schüler aus dem Jungen Orchester des Helmholtz-Gymnasiums auf die Bühne holte, war die Mischung perfekt. Ein genussvoller Abend, der nur ein Manko hatte. Man muss jetzt ein ganzes Jahre warten, bis es wieder so weit ist. Dirk Becker

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })