zum Hauptinhalt

Kultur: Ein bunter Vogel am geteilten Himmel Filmgespräch zu „Der rote Kakadu“ im Thalia

Wenn ein im Grunde tieftrauriger Film über eine Dresdener Tanzbar kurz vor dem Bau der Berliner Mauer die Chance hat, ein wahrhaft gesamtdeutsches Kinoerlebnis zu werden, muss er zweifellos mehr sein als eine Ostklamotte. So kurz nach der Berlinale-Präsentation und eine Woche nach dem „Der rote Kakadu“ in die Kinos kam, ist es zwar noch zu früh, endgültige Urteile über den Publikumszuspruch zu fällen.

Stand:

Wenn ein im Grunde tieftrauriger Film über eine Dresdener Tanzbar kurz vor dem Bau der Berliner Mauer die Chance hat, ein wahrhaft gesamtdeutsches Kinoerlebnis zu werden, muss er zweifellos mehr sein als eine Ostklamotte. So kurz nach der Berlinale-Präsentation und eine Woche nach dem „Der rote Kakadu“ in die Kinos kam, ist es zwar noch zu früh, endgültige Urteile über den Publikumszuspruch zu fällen. Dennoch ist Produzentin Manuela Stehr erst einmal erfreut und erstaunt, dass der „Kakadu“ derjenige ihrer Filme ist, der in Ost- wie in Westdeutschland und auch in Klein- wie Großstädten nahezu ebenmäßigen Zulauf findet. Dabei hat Stehr Erfahrung. Sie hat immerhin „Goodbye, Lenin“ mitproduziert.

Als am Dienstagabend im Babelsberger Thalia der Film seine bedrückende Geschichte über zerschnittene Leben erzählt hatte, bedankte sich die im Viertel wohnende Produzentin erst einmal bei „ihren Potsdamern“ für den fast ausverkauften großen Saal. Dann stellte sie sich gemeinsam mit Hauptdarsteller Max Riemelt den zahlreichen Fragen des Publikums: etwa nach den Kosten des Films (4,6 Millionen Euro) und der Arbeit hinter der Kamera (Handdouble für Riemelt) oder dem Zustand des eben wiedereröffneten echten „Roten Kakadus“ in Dresden. Dass Riemelts Filmpartnerin Jessica Schwarz nicht anwesend sein konnte, enttäuschte zwar so manchen Fan, war aber schon bald Nebensache, denn auf der Leinwand war die Schauspielerin ja präsent: als hüftleidende, deshalb aber nicht minder anmutige Künstlerin Luise.

Sie ist eine der drei Protagonisten des zwischen Juri Gagarins Weltraumflug und dem Mauerbau verorteten Films, der von einer behutsamen Dreiecksbeziehung erzählt und von Rock’n’Roll als politischem Widerstand. Der Film wirft die kardinale Frage auf: bleiben oder „rübermachen“? Gerade Künstler stellte die verschärfte Zensur vor diese Frage, selbst wenn sie eigentlich den östlichen für den besseren Weg hielten.

Irgendwann bringt der doch stilistisch sehr klassisch gehaltene Film ganz unvermittelt eine auch optisch überraschende Sequenz. Siggi und Luises Mann Wolle (Ronald Zehrfeld) versuchen mit dem Moped des Nachts nach Berlin zu fahren, im Nirgendwo müssen sie aufgeben. Diese wunderbare Stelle erinnert an den Mann, der hinter der Geschichte des Films steht, der sie erlebt und niedergeschrieben hat: Michael Klier.

Dass der in Kleinmachnow lebende Regisseur nun lediglich das Drehbuch lieferte, hat nach Stehrs Angaben vor allem den Grund, dass Klier sich nach jahrelanger Beschäftigung mit den Stoff gefragt hatte, ob er seine Geschichte nun wirklich selbst verfilmen solle. So sei in „Frieden und Eintracht“ mit Klier entschieden worden, Dominik Graf das Drehbuch umsetzen zu lassen.

Dass bei dieser Entscheidung allerdings auch ein wenig hineingespielt hat, dass Kliers Filme so ganz anders sind als der „Kakadu“, poetischer zwar, aber auch beim Publikum weniger erfolgreich, wollte Stehr dabei nicht ausschließen. Sie verwies aber darauf, dass Klier persönlich stark betroffen war, zumal er seine „Luise“ niemals wiedergesehen hatte. Sie war vor der Wende gestorben.

Manuela Stehr stand am Dienstag noch lange im Foyer, umringt von einer ganzen Traube von Interessierten und erzählte, wie sich die Filmemacher durch ganze Berge von Literatur über die Zeit hindurch gefressen hatten. Viele von denen, die ihr lauschten, können sich noch gut an den Mauerbau erinnern und gratulierten der Produzentin dazu, wie getreu der Film die sechziger Jahre wiedergibt. Unter die Zeitzeugen hatte sich auch ein junger Mann gemischt. Augenscheinlich so jung, dass er sich kaum an die Wiedervereinigung erinnern dürfte. Er dankte der Produzentin für den Einblick in eine ferne Epoche. Nicht nur die Regionen, auch die Generationen scheinen gleichsam vereint im Interesse für eine Zeit, in der, wie Stehr es so treffend formuliert hatte, die Systeme von Ost und West ihre Unschuld verloren. Moritz Reininghaus

Moritz Reininghaus

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })