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Kultur: „Ein Drecksack und ein fieser Schnippler“

Sommerhits und Moll-Akkorde: Rubys Festival im Waschhaus

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20 Jahre Waschhaus: Das ist schon ein Grund zum Feiern. Auch wenn einige noch die Anfänge im Hinterkopf haben und sicherlich auch den goldenen Zeiten – erinnert sei an den „Club Color“ – hinterhertrauern, überlebt hat das Waschhaus immerhin. Irgendwie zwar nur, und die sich heute bietende Sterilität des sanierten Kulturstandortes hat mit den „guten, alten Zeiten“ auch nur wenig zu tun. Aber der Rubys Tuesday ist noch eine der letzten regelmäßigen Instanzen, die Besucher ziehen, und auch diesen Dienstag zum Rubys Festival war es gut gefüllt – was aber auch an den Sommerferien liegen mag und daran, dass der Dienstag per se ein kulturell ereignisarmer Tag ist.

Neun Bands waren angekündigt, und dass die Monsters of Liedermaching, die 2008 auch ohne Support die Waschhaus-Arena bis auf den letzten Platz füllten, im kleineren Saal untergebracht wurden, verwunderte doch etwas. Die All-Star-Gitarrenband, die sich aus mehreren erfolgreichen Liedermachern aus ganz Deutschland rekrutiert, ist normalerweise ein Garant für ausverkaufte Konzerte, und das hat ja auch im Potsdamer Erlebnisquartier schon gut geklappt. Diesmal ein Club-Konzert für die „Monsters“? Aber klar, warum nicht!

Das Liedermaching-Konzept war sowieso ganz bewusst für dieses Festival gewählt. Draußen befand sich die Open Stage, ganz lauschig gelegen, davor eine Wiese, auf die jemand großzügig und weise Sitzkissen verteilt hatte. Da kam doch glatt ein wenig Hippie-Festival-Stimmung auf: die letzte Gelegenheit für so manche hochstimmige männliche Vertreter, sich die Klampfe umzuschnallen und draufloszujammern. Keine Ahnung, warum immer noch so viele der tragischen Erinnerung an verlorene Liebe huldigen, indem sie hoffnungslos romantische Lieder trällern und Moll-Akkorde verwursten. Aber gut, dass man sich nicht nur auf eine Bühne fixieren musste.

Die ungekrönten Könige des Abends waren jedoch die Potsdamer Hasenscheisse, die auf dem besten Weg sind, sich als hervorragendes Aushängeschild der Landeshauptstadt zu etablieren. Da werden Geschichten erzählt, auf einem derart hohen Niveau, dass einem glatt die Spucke wegblieb. Möge der Bandname auch noch so grässlich sein, der Unterhaltungsfaktor macht alles wieder wett. Selbst „Monster“ Rüdiger Bierhorst outete sich als Fan, obwohl der Ziehharmonikaspieler von Hasenscheisse „ein Drecksack und ein fieser Schnippler beim Tischtennis“ sei. Welch ungewöhnliche Sympathiebekundung!

Und hat schon mal jemand etwas vom „Berliner Kneipenchor“ gehört? Etwa nicht? Unbedingt nachholen! Schier unglaublich, dass ein Chor so begeistern kann, und das nur mit Pop-Coversongs, etwa mit Jay-Z und Alicia Keys „Empire State of Mind“ oder der Mutter aller Sommerhits, dem Violent-Femmes-Smashhit „Blister in the sun“. Großartig, wie da der Chor automatisch um die Anwesenden vergrößert wurde – laut und schief wurde da aus voller Kehle mitgesungen.

Doch dann geschah das Unbegreifliche: Der Headliner des Abends, die Monsters of Liedermaching, bestritten ihr großartiges Programm vor halb leerem Saal, ja, dem kleinen, der doch zuvor bei Hasenscheisse noch gut gefüllt war. Das gitarrespielende Konglomerat machte seine Sache gut und gehörig Lust auf das im August erscheinende Album „Schnaps & Kekse“, aber diese familiäre Atmosphäre war schon etwas außergewöhnlich, zumal es nicht an der Band selbst liegen konnte. Nun gut, da ließe sich vortrefflich spekulieren. Jedenfalls sind die „Monsters“ immer noch eine der großartigsten Livebands - und Rüdiger Bierhorsts kleines Privatkonzert am Havelufer im Anschluss wird für immer unvergessen bleiben – genauso wie die abgefahrene Show von Cannibal Koffer, die einigen als großartigste Band des Abends in Erinnerung bleiben wird. Wie sieht’s aus, liebes Waschhaus, wollen wir so etwas in Zukunft wieder regelmäßiger machen? Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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