zum Hauptinhalt

Kultur: Ein Elternhaus – zwei Epochen

Wolfgang Hasleder und Sabine Erdmann bei den Bachtagen

Stand:

Im neunten Jahr nach Gründung sind aus den Bachtagen fast schon spätsommerliche Musikfestspiele geworden. Denn auch die Räumlichkeiten der Potsdamer Schlösser werden zunehmend bespielt. So versammelte sich in der Orangerie im Neuen Garten am Donnerstagabend ein kleiner Kreis Interessierter, um einem Konzert mit Violinsonaten von Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach zu lauschen. Violinist Wolfgang Hasleder und Cembalistin Sabine Erdmann trugen die erlesene Kammermusik vor. Der intime Rahmen der verglasten, holzvertäfelten und phantasievoll dekorierten Orangerie erleichterte es der Musik ungemein, ihren Weg zu den Zuhörern zu finden.

Zwei Generationen aus einem Elternhaus – so könnte man das Programm bezeichnen, das Hasleder mit informativen Bemerkungen ergänzte. Während Johann Sebastian Bach seine musikalischen Einfälle gern mit gelehrten, kontrapunktischen Raffinessen ausstaffierte, vertrat sein zweitältester Sohn Carl Philipp Emanuel bereits die neue Epoche der Empfindsamkeit. Als Cembalist diente er fast dreißig Jahre Friedrich II., der aber seinen Hofkomponisten Carl Heinrich Graun bevorzugte. Seine letzten zwanzig Lebensjahre verbrachte C. Ph. E. Bach, den seine Zeitgenossen für ein „Originalgenie“ hielten, als Nachfolger seines Taufpaten Telemann in Hamburg. So kam es, dass dieser Bach-Sohn je nach Standort Berliner oder Hamburger Bach genannt wird.

Von Amts wegen komponierte der junge Bach viel Flötenmusik für den Preußischen König. Auch die Solostimme in der eröffnenden g-Moll-Sonate klingt mehr nach Flöte als nach Violine – auch wenn Hasleder das Gegenteil behauptete. Größer als in der Sonate D-Dur kann der Kontrast zwischen moderner und alter Kompositionsweise kaum sein. Nach einem Gefühlausbruch in Gestalt eines ungemein melancholisch bewegten Adagio mit Seufzermotiven und schleppendem Rhythmus führen zwei zierliche und stilisierte Menuette zurück in das höfische Leben mit strenger Etikette und Zucht. Höfischen Glanz versprüht die zum Abschluss gespielte Sonate C-Dur, in der sich C. Ph. E. Bach als expressiver Vorläufer der Wiener Klassik erweist.

Nicht erst hier, doch hier ganz besonders lief Hasleder, der eine umgebaute Barockvioline in milder Valotti-Stimmung spielt, zu Hochform auf. Raffiniert, elegant und spritzig spielte dazu Sabine Erdmann auf ihrem französischen Cembalo mit fein silbrigen, ausdrucksstarken Klängen. Violine und Cembalo lieferten sich kontrastreiche Wechselgespräche. Die beiden Sonaten von Vater Bach standen den Sohneswerken nicht nach, überragten sie aber auch nicht sonderlich. Das melodisch-gesangliche Andante der Sonate A-Dur könnte glatt vom Sohne stammen, wüsste man es nicht besser. Die Sonate Nr. 4 c-Moll bewies einmal mehr, dass sie ihren hohen Rang zu Recht besitzt – ein zauberhaftes musikalisches Kleinod, das in der sublimen Interpretation von Hasleder seine Finessen golden leuchtend verströmt. Großer Applaus belohnte fast zwei Stunden intimen musikalischen Genusses. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })