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Kultur: Ein Film begegnet einer Stadt

Andreas Dresen, das Team von „Halbe Treppe“ und vieles mehr im Frankfurter Museum „Viadrina“

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Den richtigen Ort für seine Pläne zu finden, kann schnell zu einer Fahrt ins Ungewisse werden. Ein Filmteam, das in einem kleinen VW-Bus Platz fand, machte sich im Jahr 2002 auf – nur mit einer Grundidee im Gepäck. Angekommen ist der Potsdamer Regisseur Andreas Dresen auf halber Treppe, in Frankfurt (Oder). Damals 78 000 Einwohner, Autobahn nach Polen. Das Leben jenseits großer Bewegungen fließt dahin wie der Fluss. „Halbe Treppe II – Ein Film begegnet einer Stadt“ heißt die Ausstellung im Museum „Viadrina“, die noch bis zum 31. Oktober zu sehen ist.

Eigentlich ist diese Exposition mit umfangreichen Fotoaufnahmen nicht einfach nur so anzusehen. Die Stadt, die Menschen wollen wahrgenommen werden. Da ist zum Beispiel dieser Blick vom Oderturm aus der 24. Etage. Sehnsucht, wonach? Die Frage bleibt individuell zu beantworten.

Ein Film zum Film, gedreht von Studenten der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (Regie Karl Hagen-Stötzer), ergänzt die Atmosphäre mit Interviews und eindringlichen Bildern und trägt in der Ausstellung wesentlich dazu bei, die Philosophie des Films zu begreifen.

Vor allem drehte die Regie in Neuberesinchen, einem Plattenbaugebiet, das teilweise heute so nicht mehr steht. Die Menschen zogen weg, wenn sie es sich finanziell leisten konnten, die leeren Fenster wurden mehr und eines Tages kam der Abrissbagger. Kaum einer bedauert das im Nachhinein, jedenfalls nicht wegen der Architektur. Aber das Leben hinterließ Geschichten, die sich so oder ähnlich wie im Film auch in der Wirklichkeit hätten zutragen können.

„Der Ort produziert die Geschichten“, weiß Andreas Dresen. Doch die Menschen in diesem Brandenburger Landstrich muss man erst mal zum Erzählen bringen! Als Betreiber der Imbissbude „Halbe Treppe“, die dem Film den Namen gab, überzeugte Axel Prahl authentisch. Der Schauspieler, der immer noch für einen Ossi gehalten wird, fand die Menschen in Frankfurt an der Oder sehr offen und zugänglich, aber spürte beim Drehen auch eine gewisse Nachwende-Depression. Trotzdem. Hass auf die Wessis? Gab es wenig. Und diejenigen, die an jenem Ort täglich viele Stunden verbringen, durften mitspielen. So wie Ralf Sch., Aushilfskraft in der Kneipe und vom Schicksal nicht gerade verwöhnt. Er sagt: „Der Film erzählt eine schöne Geschichte, leider Gottes eine traurige, die aber wahr ist wie das Leben.“

Im Film „Halbe Treppe“, der 2002 den Silbernen Bär auf der Berlinale bekam, musste eben nicht nur der richtige Ort gefunden werden. Die Geschichte ist auch eine Beschreibung von Gefühlen, wenn der Alltag längst über die Anfangseuphorie der Liebe triumphiert. Die Halbe Treppe also auch ein Synonym, eine gewisse Stufe im Leben erreicht zu haben. Zeit für eine Zwischenbilanz. Fragen, wie das Leben weiter gehen soll. Resigniert von der Unerfüllbarkeit einstiger Wünsche? „Konsequent“, so der Schauspieler Torsten Merten, der als Radiotyp Chris im Oderturm seine zurechtgezimmerten Horoskope hasst: „Dresen läuft keinen Trends, keiner Mode hinterher, er ist konsequent im Umgang mit dem Thema.“

Typisch für den Babelsberger Regisseur: Lachen und Traurigsein verschlagen einem manchmal zugleich die Sprache. Vertraut und erfrischend die Besetzung der Schauspielerinnen Steffi Kühnert und Gabriela Maria Schmeide. Und: „Ein Ausnahmeregisseur“, meinten alle, die mit Dresen drehten.

Rückblende zur Eröffnung der Ausstellung, bei der auch ein Teil der 17 Hippies, die die Filmmusik spielten, nicht fehlte. Es wäre nicht Andreas Dresen, wenn er nicht Eberhard Urban, den echten, einstigen Besitzer der „Halben Treppe“, genauso herzlich begrüßte wie Matthias Platzeck, den Ministerpräsidenten. Vielleicht finden ja noch viele andere Potsdamer den Weg an die Oder.

Brigitte Einbrodt

Zu sehen Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr, im Museum Viadrina Frankfurt (Oder) in der Carl-Philipp -Emanuel-Bach Straße 11.

Brigitte Einbrodt

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