Kultur: Ein Fluss mit vielen Stromschnellen
Abschlusskonzert des Fridericus-Musicus-Festivals in der Französischen Kirche
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Was für Friedrich den Großen die Flöte war, bedeutete seinem Nachfolger das Cello. Wie einst sein Onkel musste sich auch Friedrich Wilhelm II. einen Freiraum für seine Musik erkämpfen. Ihm hatte es das sonore Saiteninstrument angetan, das gerade erst in Mode kam. Mit seinem Klangspektrum spiegelte das Cello den Aufbruch in die Epoche des Sturm und Drang und der Empfindsamkeit. Beim Abschlusskonzert des Fridericus-Musicus-Festivals in der Französischen Kirche erklangen betörende Cello-Kompositionen aus nachfriderizianischer Zeit.
Die Cellistin Yoosha Kim und Yeonkyo Kim am Bechstein-Piano verwandelten den kleinen Kammermusikabend in ein Ereignis. Zu Johann Sebastian Bachs Zeiten nahm das Cello noch einen recht unbedeutenden Rang im Kreis der Instrumente ein. Aus dem Wunsch nach einem leicht spielbaren Streichinstrument in dunkler Tonlage ging die Viola pomposa, hervor, als deren Erfinder der Thomaskantor höchstpersönlich genannt wird. Für diese fünfsaitige Tenorgeige entstand wohl die fünfte der berühmten Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach. Yoosha Kim überrascht bei den drei schnellen Sätzen Courante, Gavotte und Gigue mit dichtem Flechtwerk und hohem Tempo in barock abgesteckter Zirkeltechnik.
Etabliert hat sich das Cello hierzulande erst mit dem französischen Cellisten Jean-Pierre Duport, der von Friedrich II. in die Hofkapelle engagiert und Lehrer seines Nachfolgers wurde. Schon allein Duports souverän vorgetragene Etude Nr. 7, ein rechtes Bravourstück, bezeugt den hohen Rang seiner Kunst. Sie inspirierte Ludwig van Beethoven bei der Komposition seiner frühen Cello-Sonaten, die dem begeisterten Cellisten und wohl musikalischsten aller Preußenkönige, Friedrich Wilhelm II., gewidmet sind. Pionierwerke allesamt, bringt bereits die zweite Sonate das ergreifende Klangvolumen des Cellos voll zur Geltung. Dabei durchdringen und ergänzen Cello und Klavier einander immer wieder in schönsten Kontrasten. Vom ersten Ton nimmt das Adagio mit tiefdunklen Cellokantilenen gefangen. Mit suchenden, stockenden Bewegungen und satten Akzenten beginnt die Verwandlung in das lebhafte Allegro.
Auf fliegende Triolenketten legen sich die Cellotöne bisweilen in höchste Lagen wie vereinzelte Vogelrufe. Die dramatische Anspannung löst sich erst im finalen Rondo auf, das von beiden Musikerinnen bewundernswert virtuos und klangschön gespielt wird. Einen Sonderfall bildet Franz Schuberts Sonate für Arpeggione und Klavier aus dem Nachlass. Das 1823 in Wien erfundene Instrument, eine Mutation aus Gitarre und Cello, geriet schnell wieder in Vergessenheit. Doch ihre Klangschönheit ließ die Sonate zu einem Favoriten des Cello-Repertoires werden. Völlig zu Recht, wie sich beim Vortrag von Yoosha Kim und Yeonkyo Kim zeigt. Beide, nicht miteinander verwandte Südkoreanerinnen erweisen sich als kongeniale Musikerinnen, die den Schubert’schen Tonfall voll gebrochener Melancholie, sehnsuchtsvollen Melodien und virtuosem Arpeggio-Spiel mitreißend zum Ausdruck bringen. Wie ein Fluss mit vielen Stromschnellen in wechselndem Licht zieht das Rondo im Wechsel von Dur und Moll vorüber. Viel Beifall in der Französischen Kirche für ein kleines Konzert, das in guter Erinnerung bleibt. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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