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Kultur: Ein formbewusster Klangarchitekt

Im vorigen Jahr hatte er mit einem französischen Programm den Internationalen Orgelsommer Potsdam in der Friedenskirche eröffnet, ihn anno 2007 mit einem Mix aus geläufigen Namen beschlossen. Wie es sich eben für den spiritus rector des renommierten Festivals und Organisten der Friedenskirche geziemt.

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Im vorigen Jahr hatte er mit einem französischen Programm den Internationalen Orgelsommer Potsdam in der Friedenskirche eröffnet, ihn anno 2007 mit einem Mix aus geläufigen Namen beschlossen. Wie es sich eben für den spiritus rector des renommierten Festivals und Organisten der Friedenskirche geziemt. In diesem Jahr nun suchte sich Matthias Jacob einen Termin gegen Ende der Spielzeit aus. Für seine spannende Zusammenstellung erwählte er sich mit Johann Sebastian Bach ein barockes Zentrum, der tonsetzenden Nachfahren bekanntlich zum Leuchtturm wurde. Und auch Jacob war er quasi ein Orientierungspunkt in stürmischer romantischer See, die von Supertankern aus dem Bestand von ausschließlich deutschen Großreedern wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger und Franz Liszt durchpflügt wurde.

Als Käpt’n auf der Orgelbank hatte Matthias Jacob das Steuer stets fest in der Hand. Umsichtig umschiffte er die mannigfaltigsten Klippen und fand eine Fahrrinne, in der er gefahrlos die tiefgängige Flottille aus Fugen, Toccaten und Passacaglien manövrieren konnte. Das Geheimnis seiner sicheren Navigation? Unbändiger Ausdruckswille gepaart mit Übersichtlichkeit und stilsicherer Formenklarheit, die Schütt- von Stapelgut zu unterscheiden verstand. Und eine Konzentration auf’s Wesentliche, mit der er beispielsweise Regers d-Moll-Tocca-ta/D-Dur-Fuge sowie Introduktion und Passacaglia d-Moll erklingen ließ, die seinen insgesamt einstündigen Vortrag rahmten.

Auch sie Stücke, in denen man als Organist Offenbarungseide ablegen muss. Gewaltigen Klangwogen gleich einem chromatischen Tsunami standen manche lyrische Gedanken zur Seite, die Matthias Jacob in totaler Verinnerlichung seelenerbaulich spielte. Hinzutretende Stimmen sorgten, nicht nur hier, für stetig anschwellendes Volumen bis hin zu glanzvollem Jubel, wechselten düstere Farben chamäleongleich ins Helle – eine bestechende Klangdramaturgie, die der formbewusste Klangarchitekt uns da vorführte! Von milder Sonne überschienen, präsentierte sich der Choral „Wie groß ist des Allmächt’gen Güte“ des erst 14-jährigen Mendelssohn, wobei die Variationen u. a. mit der schnarrenden „Trompette harmonique“ oder liegendem Pedalbass reizvoll registriert waren. In einheitlicher Prinzipalregistrierung erklangen dagegen Praeludium und Fuge d-Moll op. 37,3 des mittlerweile 28-Jährigen, in denen das Bachvorbild deutlich vernehmbar wurde.

Schließlich erstrahlte mit Passacaglia und Fuge c-Moll BWV 582 der Bachsche Leuchtturm: strukturerhellend, formstreng, zügig im Metrum, eindringlich und schlicht, gradlinig und schnörkellos. Agogische Rückungen erzeugten eine enorme Ausdrucksdichte. Nicht weniger faszinierend die Crescendo-Entwicklung, bei der sehr sinnstiftend und überlegt charakterscharfe Register hinzu trat – Jacobs Krönung. Erstaunlich kurz phrasiert zeigte sich Anfang und Ende der Lisztschen Bearbeitung des Pilgerchors aus Wagners „Tannhäuser“, wo Matthias Jacob erneut seine vortreffliche Kunst des Crescendierens und Decrescendierens vorführen konnte. Es schien, als zögen tatsächlich Wallfahrer durch das Gotteshaus. Eine perfekte Illusion. Auch konnte dabei das Klangschwülstige der Wagnerschen Leitmotiveingebungen mit dem Erlösungsmotiv zu gebührender Wirkung gelangen. Zu einer Zugabe mochte sich Matthias Jacob nach intensivem Beifall leider nicht entschließen. Peter Buske

Peter Buske

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