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Kultur: Ein forscher und lautstarker Abgang Michael Sanderlings Abschied von Potsdam

Sag’ beim Abschied leise Servus Weit gefehlt. Statt sich solcherart walzersentimental von seinem Publikum und den Musikern zu verabschieden, wählte Michael Sanderling, seit 2006 als Chefdirigent und künstlerischer Leiter zuständig für das klassisch-romantische Repertoire der Kammerakademie Potsdam, den forschen und lautstarken finalen Abgang.

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Sag’ beim Abschied leise Servus Weit gefehlt. Statt sich solcherart walzersentimental von seinem Publikum und den Musikern zu verabschieden, wählte Michael Sanderling, seit 2006 als Chefdirigent und künstlerischer Leiter zuständig für das klassisch-romantische Repertoire der Kammerakademie Potsdam, den forschen und lautstarken finalen Abgang. Das 9. Sinfoniekonzert der Nikolaisaal-Reihe bietet ihm dazu die effektvoll genutzte Möglichkeit. Was allerdings nicht immer im Sinne der romantischen Tonsetzer ist, deren Werke durch Michael Sanderlings Herangehensweise doch nicht in dem Lichte erscheinen, das ihnen angemessen sein müsste.

Apropos Licht. In seiner zehnminütigen Betrachtung „Licht im Vorübergehen“, in Auftrag gegeben von der Kammerakademie, sucht der Potsdamer Komponist Albert Breier (geb. 1961) erhellendes Licht ins Dunkel der schöpfungsgeschichtlich bedeutsamen Angelegenheit zu bringen. Düstere Klavierakkorde suggerieren das Reich der Finsternis. In das dringt hell tönendes Schlagwerk, Gleitendes und Gleißerisches auf Flöte und Geigensaite. Auch sorgen Posaunenstöße und Tremolo auf Becken für Volumen, Farbigkeit, Lautstärke. Triangelgeklingel wirkt blitzesgleich, Röhrenglocken unterstützen die Licht-Geburt. Diese führt sich als modern-impressionistische Musik vor, deren Zeitverläufe wieder zur statuarischen Klangfläche des Anfangs „gefrieren“. Ein Kreislauf, der wieder von vorn beginnen könnte. Die Novität wird vom Publikum freundlich aufgenommen.

Geradezu enthusiastisch feiert es anschließend den renommierten Cellisten Daniel Müller-Schott als Solisten in Robert Schumanns Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129. Michael Sanderling, einst selbst ein Star auf diesem Instrument, kennt es natürlich aus dem Effeff, so dass sich zwischen den beiden wesensverwandten Naturen ein geradezu kongeniales Musizieren ergibt. Auch Daniel Müller-Schott begreift sich als ein von Lyrik und Leidenschaft besessener Rhapsode, der seinem klangvollen, anno 1727 in Venedig gefertigten Goffriller-Cello die glutvollsten Klänge zu entlocken versteht. Michael Sanderling liefert mit dem klangschlank und schnörkellos aufspielenden Orchester den transparent gehaltenen Begleit-„text“ dazu. Er stellt dem Solisten sozusagen den erforderlichen Klang-Raum zur Verfügung: er bettet ihn in den Orchesterklang ein, deckt ihn aber nicht zu. Gefühlsduseleien sind bei beiden verpönt. Schade nur, dass von diesem Verdikt leider auch romantisches Schwelgen betroffen ist. Müller-Schott bedankt sich mit einer innig gespielten Ravel-Zugabe.

Sehr transparent und analytisch geht es auch bei Johannes Brahms’ 1. Sinfonie c-Moll op. 68 zu, die trotz allen körperlichen Übereinsatzes des Dirigenten eine eher leichtgewichtige, dafür umso detailreichere Darstellung erfährt. Sehr gewagt jedoch, dieses nach Kraft, brioreicher Klangmasse verlangende Werk in einer 8-er Besetzung (der ersten Geigen) zu spielen. Da fehlt es denn einfach an instrumentaler Substanz, an Glanz, an nötigem Streicherfundament. Wer es an klanglicher Wärme fehlen lässt, forciert und scharf artikuliert, sich genüsslich im Fortissimo austobt anstatt dynamisch zu differenzieren, der muss sich nicht wundern, wenn sich ihm die Brahmsischen Welten nicht wie erforderlich erschließen. Mehrere kraftvolle Tuttiakkorde, dann ist’s zu Ende mit der Sinfonie und der Sanderling-Ära. Mit Standing Ovations wird er verabschiedet. Adieu, Arrivederci, Goodbye.Peter Buske

Peter Buske

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