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Kultur: Ein gewachsener Anspruch

Jubiläumskonzert des Collegium musicum Potsdam mit Werken von Thiel, Pärt, Wagner und Haydn

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Jubiläumskonzert des Collegium musicum Potsdam mit Werken von Thiel, Pärt, Wagner und Haydn Das Potsdamer Collegium musicum, das in diesem Jahr sein sechzigjähriges Jubiläum feiert, hat allem Anschein nach den Bruch der Wendezeit gestärkt überstanden. Gegründet wurde es 1945 von Hans Chemin-Petit, von 1962 bis 1989 existierte es als „Sinfonieorchester der Werktätigen“ unter anderen unter der Leitung von Otto Wendt und organisierte sich anschließend neu auf Vereinsbasis. Unter dem jungen Dirigenten Knut Andreas, der das Ensemble aus fünfzig Laien- und Profimusikern seit 1998 leitet, setzt es kontinuierlich seine Arbeit fort. Zu den alten Mitgliedern kam inzwischen auch eine Reihe von neuen und jungen Musikern. Das jüngste Konzert im Bethlehemkirchsaal in Babelsberg zeugte von der anhaltenden Vitalität und gewachsenen Kraft dieser Formation. Mit einem interessanten Programm aus klassischer und moderner Musik, Spielfreude und Temperament begeisterte es die zahlreichen Zuhörer. Als Klassiker der Moderne gilt die Komposition „Fratres“ des estnischen Komponisten Arvo Pärt. Das 1977 entstandene Werk existiert in vielen Instrumentierungen, erklang auf zahlreichen Konzertpodien in aller Welt sowie in einigen Filmen. Das Collegium musicum spielte die Fassung für Streichorchester und Schlagwerk. Ein atemberaubend intensives Werk, das seine Wirkung aus der raffinierten Schlichtheit seiner Mittel bezieht. Minimalistisch und mystisch zirkulieren die Variationen um ein pulsierendes, inneres Zentrum, das als dynamischer und rhythmischer Kulminationspunkt in der Mitte des Werks steht. Fast scheint es, als ob die Musik ihre Bedingung der linearen Zeitlichkeit in einem Bild kontemplativer Ruhe aufheben könnte. Selten durchdringen sich künstlerische und private Biographie derart heftig wie in den „Wesendonck-Liedern“ von Richard Wagner. Die entsagende Liebe zwischen Wagner und Mathilde Wesendonck, der Gattin seines Mäzens, fand hier einen höchstpersönlichen Ausdruck und eine immerhin ideelle Vereinigung. Mathilde Wesendoncks blühende, sehnsuchtsvolle Gedichte hatten Wagner inspiriert zu berauschenden musikalischen Einfällen, schon ganz im Tonfall späterer Opern, insbesonders dem „Tristan“. Jedes Lied erscheint wie eine Opernszene en miniature, welche gerade durch seine Kleinheit authentisch und anziehend wirkt. Die Potsdamer Sängerin Gabriele Näther verlieh den Wesendonck-Liedern mit dunklem Timbre, hoher vokaler Spannweite außerordentliche dramatische Sprengkraft und Abgründigkeit. Das Orchester spielte in großer Besetzung engagiert, mit vielen gelungenen Solostellen. Das Werk „Nocturne“ für kleines Orchester von Wolfgang Thiel, Komponist und Leiter der Städtischen Musikschule Potsdam, spricht eine unruhige, von Wechseln und Brüchen gezeichnete Tonsprache. Holz- und Blechbläser, Schlagwerk, Glocken und Streicher paraphrasieren die gregorianische Weise „Puer natus est nobis“ in rhythmischen und melodischen Fragmenten, die in einer breiten Coda enden. Sicher ist es riskant, ein so bekanntes Werk wie die letzte große Sinfonie Nr. 104 von Joseph Haydn zu spielen. Die so genannte Londoner Sinfonie ist vielen im Ohr – von großen Profiorchestern auf höchstem Niveau gespielt. Dass sich das Collegium musicum trotzdem an dieses konzertante Knallbonbon wagte, zeugt vom gewachsenen Anspruch. Im Schwung der Begeisterung und bei den hohen Tempi gelang nicht alles, doch insgesamt hörte man eine sehr erfreuliche Wiedergabe, spritzig, spaßig und beschwingt. Dem engagierten Orchester und seinem Dirigenten Knut Andreas mögen noch viele Jahre fruchtbarer Zusammenarbeit beschieden sein! Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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