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Von Dirk Becker: Ein glückliches Ereignis

Am Montag stellt Rüdiger Safranski sein Buch über Goethes und Schillers Freundschaft in Potsdam vor

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Am Anfang war Distanz. Der eine blickte zum anderen auf, doch der gab sich kühl. Der eine, Friedrich Schiller, der immer noch aufsteigende und doch schon so hell leuchtende Stern am deutschen Dichterhimmel. Der andere, Johann Wolfgang von Goethe, schon eine Institution, doch seit Jahren fast ausschließlich nur vom Ruhm des längst Veröffentlichten zehrend. Schiller suchte die Nähe zu Goethe, dessen Werk er verehrte. Doch Goethe, dem die „Räuber“, das Erstling dieses jungen Wilden Schiller, regelrecht verhasst waren, gab sich zurückhaltend. Zwei eigenwillige Köpfe, die um ihren Stand, ihren Einfluss wussten und deren anfängliche Distanz sich zum schönsten Hass hätte auswachsen können. „Er macht seine Existenz wohltätig kund, aber nur wie ein Gott, ohne sich selbst zu geben“, schreibt ein verärgerter Schiller 1789 in einem Brief an seinen Freund Christian Gottfried Körner. „Ein solches Wesen sollten die Menschen nicht um sich herum aufkommen lassen. Mir ist er dadurch verhaßt, ob gleich ich seinen Geist von ganzem Herzen liebe und groß von ihm denke. Ich betrachte ihn wie eine stolze Prüde, der man ein Kind machen muß, um sie vor der Welt zu demütigen“, schreibt Schiller weiter.

Aus dieser Wut, dieser Mischung aus Hass und Liebe, die in dem jungen Schiller wühlte, ist dann doch noch eine Freundschaft geworden. Eine Freundschaft, die Goethe später als ein glückliches Ereignis bezeichnet hat. Über 300 Jahre liegt diese Freundschaft nun schon zurück. Und es stellt sich da die Frage, ob heute noch die Geschichte einer solchen Freundschaft, auch wenn sie von den beiden Dichtergöttern Goethe und Schiller handelt, von Interesse sein kann? Die Antwort lautet: Ja, Ja, und noch einmal Ja! Wenn sie von Rüdiger Safranski erzählt wird.

Am kommenden Montag ist Rüdiger Safranski zu Gast in der Villa Quandt, um mit Peter Walther vom Brandenburgischen Literaturbüro über sein Buch „Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft“ zu sprechen. Wer Safranski vor gut drei Jahren schon in der Villa Quandt erleben durfte, wo er sein Buch „Romantik. Eine deutsche Affäre“ vorstellte, wird nur bestätigen können, welch ein lehrreicher Genuss es immer wieder ist, diesen Mann hören zu dürfen, wenn er über die Themen seiner Bücher spricht.

Der 66-jährige Rüdiger Safranski ist der deutschen Literatur und der deutschen Philosophie verpflichtet. Ob in „Friedrich Nietzsche. Biographie seines Denkens“ oder in „Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie. Eine Biographie“, ob in „Schiller oder die Erfindung des Deutschen Idealismus“ oder in „E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten“, Safranski versteht es, auf anspruchsvolle und gleichzeitig leichte, auf unterhaltsame und gleichzeitig geistvoll fesselnde Art und Weise über Literatur und Philosophie zu schreiben. Ein sachlicher, fast schon bescheidener Ton, mit dem er von den Großen erzählt, als hätte er sie noch selbst kennenlernen dürfen. Dazu ein feiner und stilsicherer Humor und immer wieder Sätze, die als Aphorismen gelten können. Keine Verklärung, sondern respektvolle und kenntnisreiche Distanz. Wer sich Safranskis Büchern mit dem Bleistift nähert, darf nicht darüber erschrecken, dass er auf fast allen Seiten lange Unterstreichungen hinterlässt. Und wer diese Bücher erst einmal für sich entdeckt und dabei festgestellt hat, dass hier einer meisterhaft über Meister spricht, darf sich nicht wundern, wenn ihm die Werke anderer Autoren auf einmal schrecklich fade vorkommen.

Nun Safranski also über die Herren Goethe und Schiller und die Geschichte ihrer Freundschaft, die von 1794 bis zum viel zu frühen Tod Schillers im Mai 1805 gerade einmal elf Jahre dauern konnte. Auf über 300 Seiten erzählt Safranski davon. Und natürlich ist das nicht einfach nur die „Geschichte einer Freundschaft“, wie es im Titel heißt. Safranski hat hier feine Porträts von Goethe und Schiller gezeichnet, führt den Leser durch die ferne Zeit wie durch etwas ganz Selbstverständliches und lässt eine freundschaftliche Beziehung zwischen zwei Männern entstehen, die in dieser Intensität nicht nur im Verständnis von Goethe und Schiller etwas ganz besonderes gewesen sein muss.

Diese Freundschaft war ungemein fruchtbar für beide Schriftsteller. „Sich wechselseitig zu helfen und zu befördern, im intensiven Austausch von Gedanken und Empfindung, das war der erklärte Zweck der Freundschaft“, wie Safranski schreibt. Zwei an sich so gegensätzliche Geister – Goethe, bei dem sich alles um den Begriff Natur drehte, um das natürliche Schaffen, das von der Natur getragen wird, und Schiller, dem die Natur als Gegner galt und der als „sentimentalischer“ Dichter nicht dem Instinkt, sondern seinem Bewusstsein folgte – deren Freundschaft ihnen half, sich durch den anderen besser zu verstehen.

In 14 Kapiteln, dazu Prolog und Epilog, erzählt er von dieser Freundschaft. Von der ersten Begegnung der beiden 1779 in der Stuttgarter Karlsschule, wo der Geheime Legationsrat Goethe den Studenten Schiller gar nicht wahrzunehmen scheint. Später vom Werben des mittlerweile erfolgreichen Schillers und dem Taktieren Goethes, der in Schiller vor allem den Konkurrenten sah. Und dann, über viele Seiten, dieses seltene Glück der Freundschaft, das beide beflügelte und sie als Dichter erst auf den Rang hob, auf dem sie auch noch heute gesehen werden. Und am Ende dieser „Geschichte einer Freundschaft“ wirken Goethes Worte über den Verlust Schillers nicht mehr wie ein nachträgliches Verklären auf den Leser. Da ist Verstehen, wenn es heißt: „Als Schiller starb, wußte Goethe, daß für ihn damit eine Epoche seines Lebens zu Ende ging. So innig war inzwischen das Verhältnis der beiden geworden, daß Goethe Zelter gegenüber, dem Freund der späteren Jahre, bekannte: Ich dachte mich selbst zu verlieren, und verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins.“

Rüdiger Safranski stellt sein Buch „Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft“ am Montag, 28. Februar, um 20 Uhr im Brandenburgischen Literaturbüro in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Der Eintritt kostet 10, ermäßigt 8 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 280 41 03. „Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft“ ist im Carl Hanser Verlag erschienen und kostet 21,50 Euro

Dirk Becker

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