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Ein kluger Querulant. Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger.

© dpa

Kultur: Ein grantelnder Philosoph

Hans Magnus Enzensberger bei „lit:potsdam“

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Frischluft-Gedanken nennt die FAZ jene des Herrn Zett, der Hauptfigur in Hans Magnus Enzensbergers jüngstem Buch „Herrn Zetts Betrachtungen oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern“. Was erst einmal sperrig klingt, sind in Wahrheit gelassene, heitere Überlegungen eines älteren Mannes, der, Zigarillos rauchend, gerne unter einer alten Buche im Park sitzt. Dort räsoniert er vor einem Häuflein Zuhörer über die moderne Architektur, die er größtenteils menschenverachtend findet, polemisiert gegen die Netzbewohner und stellt angesichts der Übermacht der numinosen Märkte, die alle Welt zittern machen, fest: „Ich bedaure, sagen zu müssen, dass wir in einen postdemokratischen Zustand eingetreten sind, den viele zu akzeptieren scheinen.“ An manchen Stellen mag das an Adornos „Minima Moralia“ erinnern, jenem Bändchen kleinster Moral, die sich aus der Analyse abseitiger oder alltäglicher Phänomene ergibt.

Eine von Z.s Thesen lautet: Individuen können immerhin dazulernen. „Kollektive dagegen lernen äußerst ungern. Sie kapieren erst dann etwas, wenn der Druck derart zunimmt, daß ihnen kein anderer Ausweg mehr übrigbleibt.“ Was einem die Gesellschaft vorsetzt, sollte das Individuum also niemals ungeprüft schlucken.

Das hat auch Enzensberger selbst nicht, der, 1929 in Kaufbeuren geboren, angeblich wegen Querulantentums aus der Hitlerjugend flog, in die er als Beamtensohn eintreten musste. Nach dem Krieg studierte er Literaturwissenschaft und Philosophie in Erlangen, Freiburg, Hamburg sowie an der Sorbonne in Paris. 1957 gab er sein literarisches Debüt mit dem gesellschaftskritischen Gedichtband „Verteidigung der Wölfe“. Das machte ihn schon in jungen Jahren zur festen Größe der deutschen Nachkriegsliteratur. Mit seinen politischen und poetischen Stellungnahmen nimmt er bis heute Einfluss auf die öffentliche Diskussion. Ab 1965 gab er mit dem Magazin „Kursbuch“ der Studentenbewegung eine wichtige Stimme, 1985 bis 2007 erschien seine monatliche, viel beachtete Buchreihe „Die Andere Bibliothek“.

Zum Potsdamer Literaturfestival „lit:potsdam“ kommt der 84-jährige Enzensberger als „Writer in Residence“ nach Potsdam. Im November feiert der Autor seinen 85. Geburtstag. Zur Eröffnung am Freitag, dem 25. August, liest er um 19 Uhr im Park der Villa Jacobs. alm

An dieser Stelle stellen wir bis zum Beginn von lit:potsdam am 22. August täglich einen der teilnehmenden Autoren vor.

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