Kultur: Ein Hingeher
Der Dichterwettstreit PotSlam im Spartacus entpuppte sich als Entdeckung
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Der Pott beim PotSlam, dem Wettstreit um den besten Wortvortrag im Spartacus, ist mit zwölf Namenszetteln gefüllt. Und dem eher symbolischen Preisgeld von 50 Euro für den Sieger. Zwölf Sprachkünstler stellen sich in fünfminütigen Auftritten dem Publikum. In den Club, der seit der Wende nicht mehr als In-Adresse aufgefallen ist, sind nun tatsächlich fast Hundert Leute gekommen. Alle deutlich unter dreißig – bis auf eine Ausnahme, jemand hat seine Oma mitgebracht. Und alle sind offensichtlich nicht zum ersten Mal bei dieser Art des fröhlichen Wettbewerbs.
Tabakqualm und Bier legen den Raum in den Dunst einer Dichterstube. Nach jedem Kontrahenten misst Moderator Marc-Uwe Kling die Stärke des Applauses. Den Anfang macht Sebastian Lehmann. Auf seinem T-Shirt steht „Yack Fou“, eine Wortverdrehung. Lehmanns Horrorvision eines Hosenkaufs bei einem schwedischen Modediscounter ist lustig, prangert die Globalisierung an und ist auch noch gut vorgetragen. Trotzdem kommt er nicht in die Qualifikation. Auch Kling, selbst preisgekrönter „Slammer“, wie die Wortakrobaten genannt werden, macht bei seinem Job eine sehr gute Figur. Nicht jeder kann so lange einen schwarzen Hut tragen, ohne peinlich zu wirken. Das Applaus-O-Meter, ein Mikrophon am Computer des DJs Kolja Richter, der an einem Tisch hinter King sitzt, funktioniert tadellos. Alle Entscheidungen des Abends werden vom munter gestimmten Publikum als gerecht empfunden. Spannung liegt die ganze Zeit in der Luft.
Julian ist der Nächste. In seinem als Fabel angelegten Gedicht wird ein Specht arbeitslos. Sein Applaus ist wohlwollend, aber dünn. Delfinov hat einen starken russischen Akzent und einen bizarre Art zu texten. Dadaismus mit Performance-Art gemischt. Sebastian 23 ist einer der Stars der Szene. Hier kennt man sich und reist von Stadt zu Stadt. Am nächsten Tag wird man zusammen in Berlin auftreten. Im Fernsehen war Sebastian auch schon. In irrwitzigen Vergleichen beschreibt er die Wirkung von Kaffee auf seinen Organismus: „Dann male ich Daumenkinos in Echtzeit“" Er redet dabei so schnell, als habe er wirklich gerade einen Coffeinflash. Doch nicht er, sondern Julius Fischer wird vom Publikum zum Sieger gekürt. Der knuffige Dresdner erheitert mit seinem fast wortlosen Gedichtszyklus „Blockade“, um dann die Neurosen seines Ichs in die beißenden Beschreibungen einer Partygesellschaft und der Berliner Künsterszene zu legen.
Amateure wie Zora oder Jobst, die sich an der Abendkasse anmeldeten und dafür keinen Eintritt zu entrichten brauchten, haben gegen diese Professionellen keine Chance. Dennoch hört man ihre Texte gerne an. Zora stellte zunächst ungelenkt ihren Laptop auf einen Barhocker, von dem sie ablesen wird. Die meisten Kollegen dagegen haben höchstens einen Zettel in der Hand oder deklamieren frei. Maik Martschinkowski ist mit seiner gelungenen Marcel-Reich-Ranicki Parodie und seiner ironischen Hasstirade des Tee-Gourmets gegen die Allgegenwärtigkeit der Tomate sogar schon im darstellenden Fach angekommen. Bei Zora geht es wesentlich verschämter um die körperlich anregende Selbststimmulierung der Frau, die sie mit einem Kamelritt vergleicht. Der Freund überrascht den erotischen Selbstversuch und spricht versöhnlich: „Lass uns gemeinsam nach Kairo reisen.“ Jobst, älter und irgendwie verbitterter als die übrigen Dichter, versucht die Gunst der Menge mit einer launig-schwülstigen Umschreibung des kriegerischen Brettspiels „Risiko“ zu gewinnen. Die Analogie zur Wirklichkeit ist dabei besser als die Sprachkunst.
Im Finale outen sich schließlich Sebastian 23 mit zwei Freunden als die wohl einzige Slam-Boygroup Smaat und zeigen in einem Rap die Verwandtschaft des Poetry Slams mit der HipHop-Kultur. Als alles vorbei ist, teilt Gewinner Fischer sein Preisgeld mit den anderen an der Bar
PotSlam ist ein absoluter Hingeher, wenn das Niveau so bleibt. Junge, intelligente Texte, die man hören muss. Junge Talente, die zeigen, wie viel man auf Deutsch sagen kann.
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