Kultur: Ein klangsubtiles Miteinander Klarinettenquintette
im Palmensaal
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Gut beraten war, wer am Mittwochabend eine Stunde vor Konzertbeginn das Einführungsgespräch mit Klarinettist Lorenzo Coppola und Musikfestspiele-Dramaturg Carsten Hinrichs im Palmensaal der Orangerie im Neuen Garten besuchte. So erfuhr er viel Wissenswertes über die beiden Instrumente, die der Solist, Spezialist fürs Spiel auf historischen Instrumenten, in Quintetten von Wolfgang Amadeus Mozart und Carl Maria von Weber einzusetzen gedachte. Für die melodisch-gesangliche B-Dur-Komposition des Königlichen Kapellmeisters am Dresdner Hoftheater, die er dem brillanten Können seines in Potsdam geborenen Freundes und Virtuosen Heinrich Baermann maßschneiderte, wählte Coppola die Kopie einer 12-klappigen Klarinette nach Heinrich Grenser (um 1810), angefertigt im Jahre 2000 von der Pariser Instrumentenbauerin Agnes Guéroult.
Auch Mozart ließ sich für sein A-Dur-Quintett KV.581 von einem Virtuosen anregen: seinem guten Bekannten Anton Stadler. Für diese Wiedergabe, die aufgrund einer Total umgestellten Abfolge nun an den Beginn des Abends rückte, bediente sich Coppola einer von Stadler so genannten Clarinette d’amour, ebenfalls Nachbau des einzigen erhaltenen Exemplars von Theodor Lotz. Sie, die man bislang Bassettklarinette zu nennen pflegte, ist länger und steigt in wesentlich tiefere Regionen hinab als eine normale Klarinette. Ihr Klang ist zart und süß und verschmilzt mit dem von Darmsaiten auf vorzüglichste Weise. Mit denen sind die Instrumente des Manon Quartetts aus Berlin bespannt. Doch die zunehmende Feuchtigkeit im Raum macht den Klangdärmen zunehmend zu schaffen, so dass zwischen den Sätzen immer wieder nachgestimmt werden muss.
Doch was sind dergleichen Unbilden gegen den Glanz, das herzerwärmende Musizieren des Ensembles! Klangsinnlich und leidenschaftlich geht es immerfort zu, verströmen sich gleichsam singende Liebesbekundungen auf die lieblichste Weise. Kurzum: Verinnerlichung pur. Dabei begeistert die Leichtigkeit der Tonbildung aller Instrumente, ihre Flexibilität, ihr Farbenreichtum. Was zu einer atemberaubenden Intensität des Leisen führt. Eingebracht vor allem von der Liebesklarinette mit ihren kecken und heiteren Attacken, ihrem herrlichen, aus der Tiefe aufsteigendem Strahlen. In stärkstem Kontrast dazu das von „Manon“-Bratschist Sebastian Gottschick verfertigte Notturno für Clarinetto d’amore und Streichquartett, das seine überaus freundlich aufgenommene Uraufführung erlebt. Eine Traummusik in mehreren Teilen, beginnend mit tröpfelnden Klarinettenakkorden, denen Geigenschwirrendes und bewusst produziertes Saitenchaos folgen. Im Unterbewußten findet ein floskelhaftes Thementreffen von Bach und Chopin statt. Stoßartig Gleitendes lässt in Abgründe sinken. Vor solchen Alpträumen möge man jedoch verschont bleiben. Dafür entschädigt Schumanns a-Moll-Streichquartett umso mehr, das zwischen leidenschaftlich erregt, skurril und nachdenklich eine packende Wiedergabe erfährt. Peter Buske
Peter Buske
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