Kultur: Ein Leben in Farbe
Das Spätwerk von Sibylle Ascheberg von Bamberg im Alten Rathaus
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Die Frau scheint nicht nur des Mannes, sondern auch der Frau liebstes Thema zu sein. Das ist zumindest beim Anblick der Bilder der Ausstellung „Ein Leben in Farbe“ im ersten Stock des Alten Rathauses einer der ersten sich aufdrängenden Eindrücke.
Die bisher unbekannte und nun durch ein Projekt der Fachhochschule ins Licht gerückte Künstlerin Sibylle Ascheberg von Bamberg, die von 1888 bis 1966 lebte, hat sich, zumindest im letzten Lebensjahrzehnt, der Frau zugewandt. Immer wieder steht diese, als Mutter, als Tänzerin, als „grüne Nixe“ und im gelben Kleid vor Schloss oder Pool im Zentrum der Aufmerksamkeit, einen Mann sucht man fast vergebens. Doch, auch ihn gibt es in dem Bild „Markttag“ von 1956, da hievt er einen Korb voller Zitronen auf den Tisch, während davor schon eine Käuferin wartet. Solche Ausflüge in den Alltag sind allerdings selten bei den hier ausgestelltem Werk, meist zeigt sie Frauen in einer stilisierten Landschaft, so wenn Mutter und Tochter, in der Mitte ein Puppenwagen, dem Betrachter die Rückenansicht zuwenden und auf einen „Traumgarten“ zugehen. Der gibt in der von den Büschen links und rechts gesäumten Flucht eine Fontäne und dahinter höchst modern anmutende klare Häuserfronten frei. Und doch stimmt der Titel „Traumgarten“, denn die Szenerie wirkt freundlich entrückt, selbstvergessen die beiden Gestalten in einer fast utopisch zu nennenden Landschaft.
Die Ausstellung unter Kuratel von Anna Havemann und Koordination von Frauke Luther versucht liebevoll, einer Künstlerin ihr Porträt nachzutragen. Dahinter steht die Auffassung, dass viele Künstlerinnen in Vergessenheit gerieten, ohne dass die Qualität ihres Werkes das nun rechtfertigt hätte. Die Ausstellung zeigt Arbeiten aus der Spätphase von Sibylle Ascheberg von Amberg – frühe Bilder wurden durch einen Bombenangriff auf das Wohnhaus in Düsseldorf komplett vernichtet. Das aber scheint die Malerin, die zeitweise auch in Wilhelmshorst wohnte, nicht depressiv gestimmt zu haben – in dem kleinen Katalog, der die Ausstellung begleitet, gibt es ein aufschlussreiches Interview mit ihrer Tochter Irene Henselmann, die auch darüber berichtet, dass die unkonventionelle Mutter immer malte und sich dafür nicht extra umzog. Manchmal wurde dann eben im Pelzmantel, und manchmal im Nachthemd gearbeitet. In ihrem letzten Lebensjahrzehnt hatte die Künstlerin offensichtlich verstärkt den Drang zum Pinsel, den sie mit ungewöhnlichen Farben voll saugen ließ und so zum Beispiel den Spaziergang der „Frau mit Hund“ in ein ungewöhnliches Licht taucht. Zwar ist das Bild aus dem Jahr 1965, aber die Szenerie und auch die Kostümierung der Dame, die mit langem Rock, weißem Hütchen und spitzem roten Schirm da vor einer stilisierten Parklandschaft auf ihr Hündchen einredet, als wäre es ein Kind, wirkt wie aus den späten Zwanzigern. Dass Sibylle Ascheberg von Bamberg stark vom Expressionismus beeinflusst wurde, bestreiten die Bilder nicht, aber sie wollte sich keiner Schule zurechnen lassen. Auffällig sind vor allem die Farben, die die Adlige benutzte, sie strotzen vor unaufgeregter Verfremdung, die man selten so gesehen hat: in „Le Château“ verbiegt sich eine Schönheit vor den wasserblauen Rasenflächen, der Baum zeigt eine braune Krone und das Schloss dahinter ist in sorgfältig voneinander geschiedene Farbflächen in rot, lila und ocker unterteilt. Der Himmel über dem dunklen Waldstück zeigt ein sehr, sehr tiefes Blau, das Anlass zum Hineindenken und Hintersinnen eines Lebens, das man bisher der Öffentlichkeit vorenthielt, gibt.
Die Ausstellung wird von einem Rahmenprogramm begleitet, bei dem unter anderem die Situation der Künstlerinnen thematisiert wird (im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am 4. Oktober) und auch der Katalog bietet einen Artikel über die Situation der Künstlerinnen in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Immerhin erlaubte die Kunstgewerbeschule Düsseldorf 1904 „versuchsweise“ Damen den Unterrichtsbesuch, und Sibylle Ascheberg von Bamberg war von 1906-1908 eine der ersten Studentinnen. Ein lohnender Streifzug in die Geschichte der Kunst von Frauen.
Lore Bardens
Lore Bardens
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