zum Hauptinhalt

Kultur: Ein Leben in Sausl und Brausl

Gelungene Uraufführung: Das Hans Otto Theater zeigte im Walhalla drei Szenen von Felicia Zeller

Stand:

Das Geheimnis offenbarte sich Punkt acht Uhr, als die Tür zum Vorführungsraum im „Walhalla“ zu Cancan-Klängen geöffnet wurde: Schnee lag überall auf dem Boden, man watete durch die Styroporkügelchen und ergatterte, wenn man Glück hatte, einen der Sitzplätze.

Auf der Bühne saßen schon zwei Männer, wovon einer (Christian Klischat) Frauenkleidung und Perücke trug, der andere (Henrik Schubert) im schreiend lila Unterhöschen unter knöchellangem Zobelmantel lässig lungerte (Bühnenbild und Kostüme: Marek Hertel). Es entspann sich der seltsamste Dialog eines Ehepaares, den man sich denken kann: wie ein Automat wollte die „dritte Ehefrau von Hans“, eben Christian Klischat, ihren Mann davon abbringen, weitere Kaufverträge zu unterschreiben. Allerdings kam „sie" nie weit und musste die emotionslos aus dem ganz und gar unweiblichen Mund heraus purzelnden Sätze immer wieder beginnen, als habe ihre Platte einen Sprung.

Die Sprache der jungen Autorin des Theaterstücks, Felicia Zeller, ist komplett durchgestylt, wobei sie sich oft von den Wortklängen inspirieren lässt. Allerdings ohne jemals den größeren Sinnzusammenhang zu verlassen. Wunderbare Stilblüten machen lachen, z.B. „Mausl, wir werden leben in Sausl und Brausl“. Man muss es hören, um mitlachen zu können und man muss sehen, wie der Hans seine „dritte Ehefrau“ von hinten nimmt, um sich bis zum Höhepunkt immer begeisterter in den bevorstehenden Kauf des neuen Wagens hinein zu steigern.

Es ist absurdes Theater, das da in drei Szenen auf der Studio-Bühne vorgeführt wird, und alle drei haben den ganz normalen Wahnsinn zum Inhalt, eben in etwas gesteigerter und poetisch angereicherter Form. Felicia Zeller behandelt den Kaufrausch, der die dritte Familie von Hans ebenso in den Ruin treibt wie wahrscheinlich die beiden vorherigen. Sie lässt den Verbraucherschützer sprechen, der in der Inszenierung als dreifache Aufspaltung seiner selbst immer wieder neue Prozesse anstrebt, um, wie er meint, der Menschheit zu dienen. Und sie zeigt in der letzten Szene auf, wie erfreut und wahnsinnig amüsiert eine Sekretärin Kündigungsschreiben formulieren und dabei immer wieder darauf achten kann, dass Superformulierung Textbaustein Nummer soundso und Formatierung xy auch wunderbar auf dem Blatt aussehen. Caroline Lux, die ab Akt 2 mit agiert, bewies eine ebenso reiche Verwandlungsfähigkeit und präzise Beherrschung der manchmal ins Stakkato gesteigerten Sprache, wie die beiden anderen Schauspieler auch.

Jede Szene verantwortet ein anderer Regisseur (Tobias Rott, Johanna Hasse und Ann-Sylvie König), die sich aber alle von der grotesk munteren Vorlage gleichermaßen haben aufs Trefflichste inspirieren lassen. Dieses Theaterstück mit dem ellenlangen Titel „Wenn ich etwas anderes machen würde, würde ich vielleicht nicht immer ans Geld denken“ ist in allen Bereichen gelungen und Felicia Zeller allemal wert, von einem großen Publikum entdeckt zu werden.

Lore Bardens

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })