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Kultur: Ein Lebenskunstwerk

Rüdiger Safranski stellt im Schloss Sacrow seine Goethe-Biografie vor

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Rüdiger Safranski nur als einen Autor von Sachbüchern zu bezeichnen, greift zu kurz. Seine Werke sind Ereignisse, sein Schreiben über die Kunst ist immer auch selbst Kunst. Dabei stellt sich Safranski nie in den Vordergrund, legt seine Stimme, seine Meinung und sein Wissen nicht über das Thema, mit dem er sich beschäftigt. Rüdiger Safranski – und das macht seine Kunst aus – tritt bescheiden in den Hintergrund, erzählt gekonnt und anspruchsvoll verführerisch. Und je älter er wird, umso mehr bewegt er sich auf Augenhöhe mit den Großen, über die er schreibt. Am morgigen Sonntag ist Rüdiger Safranski im Schloss Sacrow zu Gast und stellt sein neuestes Buch „Goethe. Kunstwerk des Lebens“ vor. Glücklich darf sich schätzen, wer für diese Lesung eine Karte hat.

Goethe also. Wer die Bücher von Safranski in den vergangenen Jahren gelesen, und man muss es so sagen: genossen hat, dem scheint es fast schon zwingend notwendig, dass er sich irgendwann mit auch dem großen Dichterfürsten, mit diesem Monument der deutschen Literatur beschäftigen musste. Im Jahr 2004 erschien die Biografie „Friedrich Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus“, drei Jahre später „Romantik. Eine deutsche Affäre“. Zwei Jahre darauf, 2009 dann, „Goethe und Schiller. Geschichte einer Freundschaft“. In diesem Jahr nun „Goethe. Kunstwerk des Lebens“ (Hanser Verlag, 27,90 Euro).

Natürlich ist über Goethe schon so viel geschrieben worden, füllen die Abhandlungen über ihn etliche Regalmeter. Und so kann man sich fragen, ob es denn noch ein weiteres, in diesem Fall 752 Seiten starkes Buch zum Thema braucht. Man kann es aber auch mit dem Philosophen Friedrich Nietzsche halten und Goethe zwar als ein Ereignis bezeichnen, letztendlich aber als ein folgenloses.

Es spricht für den stillen und feinen Humor von Rüdiger Safranski, dass er sein „Kunstwerk des Lebens“ mit Nietzsches launisch-vernichtender Sentenz beginnt. „Doch Goethe war nicht folgenlos“, schreibt Safranski weiter. „Zwar hat die deutsche Geschichte seinetwegen keinen günstigeren Verlauf genommen, aber in anderer Hinsicht ist er überaus folgenreich, und zwar als Beispiel für ein gelungenes Leben, das geistigen Reichtum, schöpferische Kraft und Lebensklugheit in sich vereint.“ Schon in diesem ersten Satz macht Safranski klar, wie er von Goethe erzählen will. Keine Denkmalstürmereien und auch keine küchenpsychologischen Gedankenspielereien über vermeintlich versteckte oder verklemmte Neigungen, keine Enthüllungen oder sonstigen Klatsch und Tratsch. Rüdiger Safranski erzählt ein bekanntes Leben, das spannungsreich und auch anstrengend, das vor allem aber trotz der Höhen und Tiefen ein erfülltes Leben gewesen ist. Und somit holt er Goethe in unsere Zeit, in der das Lebensglück marktkompatibel perfekt inszeniert als unser höchstes Ziel gepriesen wird. Doch bei so vielen von uns hinterlässt diese ständig rasende Lebensglückssuche, diese ständigen Lebensglücksoptimierungsversuche das Gefühl, immer nur scheitern zu können. Dann sitzen wir erschöpft und leer und frustriert vor unseren Lebensentwürfen und hoffen auf eine entsprechende Eingebung. Die Bücher von Safranski und ganz besonders „Goethe. Kunstwerk des Lebens“ haben den Charakter von Eingebungen.

Rüdiger Safranski schlägt in seinen Büchern immer einen besonderen Ton an. Da spricht ein kunstvoller Erzähler, der eine längst vergangene, allzu oft verklärte und nicht selten auch verdammte Zeit wiedererweckt. Doch nicht mit nostalgischen Hintergedanken, sondern in aufklärerischer Absicht. Safranski nähert sich Goethe mit respektvoller Begeisterung, begleitet ihn durch sein Leben in Leipzig und in Straßburg, in Wetzlar und in Weimar. Er durchmisst mit Eleganz und Leichtigkeit das umfangreiche Werk vom Autor des Werthers und Fausts und erklärt die Philosophien und naturwissenschaftlichen Sichtweisen Goethes auf diese Welt. Das immer pointiert, einleuchtend und selbstverständlich. Gleichzeitig zeigt Safranski so, dass ein Leben, das im Rückblick wie ein Kunstwerk wirkt, immer eine Mischung aus Disziplin, Pflichterfüllung und Konzentration, aber auch aus notwendigen Konsequenzen und nicht immer einfachen aber klaren Entscheidungen sein muss. So ist „Goethe. Kunstwerk des Lebens“ auch ein Denkanstoß für das eigene Leben, das eigene Lebensverständnis. Aber vor allem ist dieses Buch Genuss und Trost zugleich.

Rüdiger Safranski stellt am morgigen Sonntag um 16 Uhr sein Buch „Goethe. Kunstwerk des Lebens“ im Schloss Sacrow, Krampnitzer Straße, vor. Der Eintritt kostet 10, ermäßigt 5 Euro

Dirk Becker

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