zum Hauptinhalt

Kultur: Ein Lied- Reporter

Thomas E. Bauer singt Schumann im Nikolaisaal

Stand:

Nicht ungewöhnlich ist es, dass ein Jüngling ein Mädchen liebt. Doch wenn diese einen andern erwählt und der aber eine andere liebt, dann wird es problematisch. Auch Heinrich Heine weiß darum und verwandelt das Phänomen in pure Poesie. In seinem „Buch der Lieder“ hat er diese und andere Verse zum Thema Liebeslust und Lebensleid, Sehnen und Enttäuschung, Groll, Verzicht und Entsagen zusammengetragen. Robert Schumann, auf der Suche nach adäquaten Texten für diesbezügliche Stimmungen und Empfindungen gegenüber seiner geliebten Clara Wieck, hat sich dieser Gedichtsammlung bedient, um daraus seinen Liederzyklus „Dichterliebe“ op. 48 zu extrahieren.

In ihm gehen Dichtung und Musik eine faszinierende Verbindung ein. Allerdings braucht es für eine perfekte Wiedergabe ein auf gleicher Wellenlänge schwingendes Interpretenpaar. Mit Bariton Thomas E. Bauer und Klavierpartnerin Uta Hielscher war es gefunden, die am Sonntagnachmittag zum Liederabend anlässlich des 200. Geburtstages von Robert Schumann ins Nikolaisaal-Foyer einluden.

Selten hat man die „Dichterliebe“ so intelligent und souverän, so leidenschaftlich und dennoch unpathetisch, so voller Poesie, ironischer Brechungen und abgestufter Stimmfarben gehört. Kein Wunder, dass manchem Zuhörer sofort die unnachahmliche Ausdrucksgestaltung und das einprägsame Timbre bis hin zu ähnlichen Stimmfärbungen und Silbenbetonungen von Liedersängerlegende Dietrich Fischer-Dieskau in den Sinn kommt. Wie dieser, so hat auch Thomas E. Bauer das bewundernswerte Gespür für das Verhältnis von Wort und Musik. Der Vierzigjährige ist im niederbayerischen Metten geboren und in Bernried aufgewachsen, erhält seine erste musikalische Ausbildung als Mitglied der Regensburger Domspatzen, bei denen er das Abitur ablegt. Danach studiert er an der Musikhochschule München, wird Mitbegründer und Mitglied des Vokalsolistenensembles „Singer Pur“.

Obwohl Opernsänger, gilt seine große Liebe dem Liedgesang: von romantisch bis modern. Aus dieser stilistischen Breite erwächst ihm sein erstaunlich natürlicher Vortragsstil, mit dem er vom Flüstern bis zum Aufschrei eine Ausdrucks- und Gefühlsskala sondergleichen durchmisst. Ein Lied-Reporter, der von alltäglichen Liebeszuständen erzählt, wie sie einem noch heute geschehen können. Keiner, der sich durch ihn nicht in seinem Innersten angesprochen fühlt. Samtweich setzt er „Im wunderschönen Monat Mai“ seine Stimme an, steigert sich in die Leidenschaft, kann atemberaubend leise und intensiv singen und ist immer sehr textverständlich.

Auch im „Liederkreis“ op. 39 nach Gedichten von Eichendorff erweist er sich als ein sensibler Sänger, der sich die Romantik der Altvorderen bewahrt hat. Fabelhaft, wie er beispielsweise der Poesie der „Mondnacht“ („Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst“) in geradezu naiver Diktion nachsinnt, ohne dabei in Sentimentalität abzugleiten. Die pianistische Begleitung durch Uta Hielscher gerät ebenfalls zum Ereignis. Mit ihrem sinnprägenden Spiel legt sie quasi eine zweite Ebene frei, indem sie den Inhalt der Worte illustriert, ausdeutet, kommentiert. Sie kittet keine Brüche, sondern legt sie bloß; sie beschwört sängergleich liebesjubilierende Frühlingsdüfte. Kurzum: sie ist eine kongeniale Mitgestalterin, die solo eingangs zur Einstimmung das Allegro aus dem „Faschingsschwank aus Wien“ op. 26 überaus kraftvoll, mit viel Pedal und Rubato tastatiert. Bemerkenswert. Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })