Kultur: Ein Lob dem Faultier
Arche-Vortrag zum Thema Schlaf
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„Verschon uns, Gott, mit Strafen, und laß uns ruhig schlafen“, dichtete Matthias Claudius einst in sein „Abendlied“ hinein. Das, was selbst Heinrich Heine als „die köstlichste Erfindung“ pries, stand am Dienstag im Zentrum eines eher stillen „arche“-Vortrags, der Schlaf. Für die katholischen Veranstalter und Domvikar Matthias Patzelt als Referent war es eine Selbstverständlichkeit, dieses uralte Thema um des Todes kleinen Bruder mit „Geistlichen Erwägungen“ zu verbinden. Der Berliner begann seinen Vortrag mit gutgemeinten Ratschlägen, wie man sie auch in den allseits beliebten Journalen findet: Minimum und Maxima beim „Matratzenhorchen“, Raumtemperatur und Speisegewohnheiten, Mittagsruhe, für die vier Minuten reichen, und Schlaflosigkeit. Leonardo da Vinci habe in Phasen höchster Kreativität alle vier Stunden fünfzehn Minuten geschlummert. Schlaf kann man jedoch weder herbeizwingen noch nachholen. Generell soll Ruhen das Innen und Außen gesunden. Es ist so etwas wie ein „Ursprung“, denn Adam schlief, als Eva gemacht wurde, ein Kind entsteht, wenn Mann und Frau halt miteinander schlafen. Das begreift jeder.
Für den Domvikar hat der Schöpfergott alles in seiner Regentschaft behalten. Auch den Schlaf, eine Zeit „höchster Aktivität“. Weil dieser Schlaf nach der Bibel als „Ort der Schöpfung“ zu verstehen sei, bedeute Schlaflosigkeit „Ausschluss von ihr, und der Gnade“, na ja. Aber das Schlafen scheint ziemlich riskant, denn „der Mensch fällt in eine Welt von Emotionen und Trieben“, er schaut in den Träumen „seiner eigenen Wahrheit ins Auge“. Wie auch immer, für Patzelt ist Gott ein Schlaf- und Traumgeber. Schlaf also „eine geistliche Erfahrung“, wo man ihm „die Führung“ überlässt, oder auch überlassen müsse – immerhin ein Drittel des Lebens.
Manche stellen vor dem Einschlummern Fragen. Er, der es den Seinen sowieso im Schlaf gibt, antworte meist. Prediger und Propheten hätten immer etwas zum Schreiben am Nachttisch. Dergestalt sei Schlaf und Schlafenkönnen als göttliche Gnade anzusehen. Thomas von Aquin zählte dies zu seinen „Sieben Tröstungen“ des irrenden Menschen. Auf der anderen Seite stehen die Exempel von den klugen Jungfrauen oder Jesu Mahnung, bis zu seiner Wiederkehr wach und nüchtern zu bleiben. Hier wurden Patzelts Ausführungen leider etwas dünner.
Bevor im Auditorium ein reger Erfahrungsaustausch anhub, gab der Vikar noch zwei poetische Exempel. Eines betraf Gottes Bitte an den ruhenden Menschen, doch ihm sein Handwerk, „für eine Nacht, die Dauer eures Schlafes“, zu überlassen und nicht ständig dazwischenzupfuschen. Das zweite pries das trägste aller Wesen: Ein Dreifinger-Faultier schläft zwanzig Stunden am Tag in völligem Einklang mit der Umgebung, es schafft maximal 250 Meter je Stunde, wenn es hetzt, normalerweise vier. Stößt man es an, blickt es überall hin, nur nicht zur Ursache. Es ist so langsam, das der superschnelle Gepard es nicht wahrnehmen kann. Trägheit und Schläfrigkeit allein sicherten ihm das Überleben. Irgendwie, so Patzelt, erinnere seine Haltung gar an menschliche „Meditation“. Kurz, hier habe man es mit einem exemplarischen Wunder Gottes zu tun. Wer schläft, sündigt nicht. Ein erstklassiger Abend, und so viel Ruhe dabei!Gerold Paul
Gerold Paul
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