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Kultur: Ein Mann, ein Tee und sein Klavier

Enno Bunger verzauberte die Waschhaus-Gäste

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Seiner Musik kann man sich nicht entziehen. Sie füllt den Raum und schwappt in sanften Wellen über das lauschende Publikum hinweg. Das Gefühl, wenn die Töne im Bauch kitzeln, wenn die Ohren nicht genug von den zauberhaften Melodien hören können und das leichte Wippen der Köpfe, wenn die Klänge den Raum erfüllen. Enno Bunger bewies am Dienstag beim Rubys Tuesday im Waschhaus zu später Stunde, was es heißt, das Publikum in Trance der Bezauberung zu versetzen.

Alles war eingestellt. Bereit, loszulegen. Der junge Mann schaut ein wenig unsicher von der Bühne herab auf das Publikum. „Ich komm jetzt nochmal auf die Bühne und ihr fangt ganz überraschend an zu klatschen, ok?“ Enno Bunger weiß, wie man das Eis bricht. Mit seinem sympathischen „Moin“ gelingt es ihm sofort, die zahlreich erschienene Zuhörerschaft für sich zu gewinnen. Die ersten Töne erklingen. Das Publikum ist verzaubert.

Ganz zum typischen Bild eines Konzertes will das kleine Teekännchen aus Porzellan samt Stövchen, so wie es heutzutage kaum noch jemand besitzt, nicht passen. Erwartet man doch eher eine Flasche Bier. Doch irgendwie fügt sich so ein wunderbares Gesamtbild zusammen: melancholische Musik und ein Porzellantässchen mit seinem Lieblings-Schwarztee. Ein echter Ostfriese eben.

Fängt er an, seine Finger geschmeidig über die Tasten seines E-Pianos gleiten zu lassen, entschwindet Enno Bunger in eine andere Welt. Sein Publikum folgt ihm bereitwillig. Mal streicht er sie ganz zart und mal haut er schon etwas härter in die Tasten. Doch auch wenn auf die Klänge von Felix Mendelssohn-Bartholdy die Sounds von Scooters „Hyper, Hyper“ folgen und man dies als ein wenig befremdlich empfinden könnte, scheint das Konzept doch aufzugehen. Die Geschichten aus seinem Leben, die Enno Bunger beinahe im Plauderton in den kurzen Pausen zwischen den Liedern zum Besten gibt, erweisen sich als ebenso unterhaltsam wie seine Musik selbst. Das dichte Gedränge im Raum und die damit stetig ansteigende Hitze halten ihn jedoch nicht davon ab, ab und an sein Teetässchen an die Lippen zu heben und genüsslich seinen heißen Tee zu trinken. „Obwohl Eistee heute vermutlich besser wär“, witzelt er.

Der Vollzeitmusiker, Klavierlehrer und Barpianist schwatzt gerne ein wenig mit seinem Publikum. So gibt es tatsächlich so manche logische Erklärungen dafür, wie Rocky, Henry Maske und Batman gemeinsam im Zusammenhang mit einer Hochzeit stehen oder warum bei der Beerdigung einer Schwerhörigen die Musik besonders laut gespielt werden muss. „Mit mir ist eigentlich alles ok!“, sieht er sich genötigt, hinzuzufügen. Seine schwermütige Musik und seine teils skurrilen Geschichten könnten ja vielleicht auf etwas anderes schließen lassen. Seine melancholische Musik erfüllt den Raum mit einem nahezu magischen Knistern. Unverständlich ist deshalb, warum viele Zuschauer zum Ende hin lieber draußen ihre Kehlen benetzen. Mag es für einige vermutlich an der kleinen Überdosis Herzschmerz, Traurigkeit und Liebe gelegen haben, die fast jeden seiner tiefsinnigen Texte bestimmen, besitzen seine Lieder jedoch Ohrwurmpotenzial. Mit träumerisch halbgeschlossenen Augen konnte sich das restliche Publikum der Harmonie zwischen dieser unglaublich sinnlichen Stimme und den wunderschönen Piano-Tönen nicht entziehen. Chantal Willers

Chantal Willers

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