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Kultur: Ein moralisches Singspiel

Die Singakademie begeisterte mit Haydns „Die Jahreszeiten“ im Nikolaisaal

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Josef Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ steht bis heute im Schatten seiner „Schöpfung“. Jedoch zeigte sich bei der glanzvollen Aufführung durch die Singakademie Potsdam und das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt/Oder, dass die Jahreszeiten mit ihrem Vorläufer mindestens gleichrangig sind. Am Erfolg der herzbewegenden Aufführung unter Leitung von Edgar Hykel waren nicht zuletzt die großartigen Solisten entscheidend beteiligt. Christine Wolff, Sopran, Peter Diebschlag, Tenor, und Timothy Sharp begeisterten sowohl solistisch wie auch im Duett und Terzett. Auch der Sinfonische Chor, der zu Hochform auflief, erhielt verdienten Zwischenbeifall.

Die angebliche Belanglosigkeit des Textes wurde den Jahreszeiten oft vorgehalten. Gewiss, sie behandeln kein biblisches Thema wie es sich für ein Oratorium, also ein musikalisches Gotteslob, gehört. Doch gebetet und gelobt, gedankt und gejubelt wird auch in diesem Werk reichlich. An die Stelle des expliziten Gotteslobs ist ein frommes Naturgefühl getreten. Statt Heilige oder Propheten repräsentieren schlichte Menschen die Verpflichtung auf rationale Tugenden, die gleichwohl mit vielen christlichen Geboten überstimmen. Man könnte dieses Werk als moralisches Oratorium bezeichnen, als frohgemute, diesseits gewandete Lebensweisung, sogar als humanistisches Singspiel. Der Spiegel der Natur steht Modell für den Inhalt und für die herrliche, einfallsreiche Musik. Er reflektiert nicht nur die Jahreszeiten, sondern den Ablauf des Menschenlebens. Die Musik trägt als klingendes, rhythmisches Medium ihren Teil zur Spiegelung der Gedanken und der Bilder bei.

Glanzvoll gelingen das Fugato der Gewitterszene und die große Fuge zum Finale. Mit großer Innigkeit und leuchtender Pracht erklingen Bittgesang, Loblied und Dankpreisung. Ebenso anschaulich wie erbaulich, anmutig wie ausdruckvoll, ertönt das Zusammenspiel von Chor, Orchester und Solisten. So hört man klangvolle instrumentale Eröffnungen zur Sommer- und Winterszene, weinselig lärmendes Tohuwabohu beim großen Weinlied, freundliche Fanfaren und leicht unscharfe Streicher zum Finale. Die Solisten waren bestens ausgewählt. Timothy Sharp verfügt über einen wohlklingenden, warmen Bariton, der nicht nur Arien wie dem großen Jagdlied, sondern auch den Rezitativen stimmlichen Nachdruck verleiht. Als lyrischer Tenor mit großer Sensibilität erweist sich der junge Peter Diebschlag, der den Lukas singt. Die hohe Kunst des Legato-Gesangs im Piano beherrscht er schon wie wenige, etwa bei der zarten Kavatine über die Mittagsglut. Sein Wanderer im Winter erinnert durchaus an Schuberts Winterreise, was durch überraschende Parallelen in Text und Musik noch verstärkt wird.

Mit zauberhafter Stimme und vielseitiger Wandlungsfähigkeit erfreut Christine Wolff in der Rolle der Hanne. Das Spinnradlied erklingt mit viel Sinn für Schlichtheit, das eingeschobene „Küchenlied“ schelmisch-kokett, die Seufzer-Arie hingebungsvoll als todtrauriges Lamento. Natürlichkeit und Ausdruckskraft zugleich sind die Stärken von Christine Wolff. Als große Oper entpuppt sich das vibrierende Duett von Hannchen und Lukas, eine zärtlich-innige Liebes-Apotheose in Mozart“schen Ausmaßen. Eine rundherum erfreuliche Aufführung der Singakademie Potsdam.

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