Kultur: Ein musikalisches Experiment Junges Orchester mit „Der Froschkönig“
„Quak, quak“, schreit der Frosch mit verzerrter Stimme. Dazu spielt das Orchester schauerlich-schräge Töne.
Stand:
„Quak, quak“, schreit der Frosch mit verzerrter Stimme. Dazu spielt das Orchester schauerlich-schräge Töne. Nein, einladend klingt der Bewohner des „anarchischen Brunnenreiches“ wahrlich nicht. Kein Wunder, dass die Prinzessin, die ein unbeschwertes, wenn auch reglementiertes Girlie-Dasein lebt, davon abgestoßen wird.
Viel vorgenommen hat sich das Junge Orchester Potsdam bei seinem Konzert in der Friedrichskirche in Babelsberg. Das aus einer Eigeninitiative junger Musikschüler hervorgegangene Ensemble führt eine neue Komposition seines künstlerischen Leiters und Dirigenten Patrick Gregor Braun auf. In seinem „Froschkönig“ geht es nicht einfach um die schlichte Vertonung des altbekannten Märchens aus der Grimm’schen Sammlung. Darüber hinaus sollen zwei Welten, die der tonalen und der atonalen Musik, musikalisch reflektiert werden – eine interessante Idee und ein anspruchsvolles Ziel.
Passenderweise führt ein Spitzenwerk der Wiener Klassik dahin. Josef Haydns Klavierkonzert D-Dur, Hob. Nr. 11 präsentiert die Reize der tonalen Musiksprache mit wunderschönen Klangbildern in Dur und in Moll, mit gemäßigten Rhythmen im Allegro und Adagio. Da die Pianistin ausfiel, setzt sich der Dirigent persönlich an den Flügel und beweist so einmal mehr seine erstaunliche Vielseitigkeit. Der 26jährige, der derzeit Tonsatz an der Eisler-Hochschule in Berlin studiert, sang schon als Kind im Kreuzchor und bei den Thomanern, spielt Klavier und Trompete und begann schon früh mit dem Komponieren. Für sein geläufiges Spiel mit vielen Trillern, Figurationen und interessanten Kadenzen gab es viel Beifall. Auch das junge Orchester spielte mit Hingabe und Präzision dieses beliebte Konzert, in dem Haydn so sehr nach Mozart klingt.
Dann stürmen der Froschkönig und seine Prinzessin mit einem flotten Marsch in gemäßigt tonalen Klängen herein. Mit Bläsern und Schlagwerk bringt das aufgestockte Orchester die gegensätzlichen Sphären zum Klingen. Für die Prinzessin und ihr heiteres, doch genormtes Lifestyle-Leben stehen Menuett, Choral, Walzer in modernistischen Verfremdungen, aber immer noch erkennbar zur Verfügung. Vor allem die Musik von Dimitrij Schostakowitsch lässt grüßen, aber auch Max Reger oder ein Zitat aus „Yesterday“ von den Beatles. Den einsiedlerischen, weltfernen Frosch repräsentiert neben leitmotivisch wiederkehrenden Tönen von Bassklarinette und Bassposaune ein kakophonisches Chaos greller und tiefer, „schräger“ Klänge. Die dichte Mischung der Komposition mit zahlreichen Zitaten und Erfindungen wirkt rasant und energisch, doch bisweilen etwas zu gelehrt. Dass dazu ein Erzähler spricht – Maximilian Angerstein mit Spaß an der Groteske – gibt Einblicke in die tonalen Strukturen, überlagert sie aber auch. Vielleicht sollte man das einfallsreiche, vielschichtige, hoch ambitionierte Werk einfach zweimal hintereinander aufführen, einmal mit Sprache, einmal ohne. Dann kämen die verschiedenen Aspekte – Experiment, Kreativität und Reflexion – noch mehr zur Geltung.
Das Stück endet offen und optimistisch. Indem der Frosch zur tonalen Welt tendiert und die Prinzessin mit den strengen Normen ihrer Herkunft bricht, machen beide einen Schritt aufeinander zu und treffen sich auf einer Tonstufe. So verschieden erscheinen ihrer beider Welten nun gar nicht mehr.
Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern D
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: