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Von Dirk Becker: Ein Nacht lang durch die Bars

Die Sängerin Frederike Haas hat erst über die Schauspielerei die große Piaf für sich entdeckt

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Fast ist man soweit, Frederike Haas zu unterbrechen. Denn es ist nicht mehr ganz klar, von wem sie gerade spricht. Sind es die Erlebnisse der Piaf oder doch ihre? Frederike Haas erzählt von dieser Straße, die Edith Piaf zusammen mit einer Freundin entlang geht. Von Bar zu Bar, eine ganze Nacht lang, sich treiben lassen, einfach warten, was passiert. „Dann treffe ich meinen Nachbarn und das kleine Freudenmädchen. Wir kommen ins Gespräch“, sagt Frederike Haas. Das ist der Moment, an dem man nicht mehr weiß, wer jetzt spricht, die Piaf oder doch schon die Haas. Und kurz bevor man Frederike Haas unterbrechen will, erzählt sie von dem tätowierten Legionär, dem sie dann auch noch begegnet und einem wird klar, dass man noch immer in dieser Straße ist, die gleichen Bars, die gleiche Nacht. Und auch wenn von der Piaf die Rede ist, steckt man schon mittendrin im Programm von Frederike Haas.

„Chansons der Edith Piaf“ heißt dieses Programm der Sängerin Frederik Haas und der Akkordeonspielerin Sirid Heuts. Am morgigen Dienstag sind die beiden Berliner Musikerinnen mit ihrem Duo Les Gosses und ihren Interpretationen der Piafschen Chansons zu Gast im Hof der Urania.

Die Piaf also, der „Spatz von Paris“, der mit Liedern wie „Milord“ und „Non, je ne regrette rien“ weltberühmt wurde. Eine Skandalperson, geprägt vom Alkoholismus ihres Vaters und der Gewalttätigkeit ihrer Umgebung, die ein ausschweifendes Leben führte und immer wieder abstürzte. Ein zerrissene und auch tragische Figur, die schon zahlreiche Künstler reizte, sich mit ihrem Leben, ihrer Musik auseinanderzusetzen. Und wie gelingt es nun Frederike Haas sich diesen ganz persönlichen Geschichten, die Edith Piaf in ihren Liedern erzählte, anzunähern?

Frederike Haas schüttelt ihren Kopf. „Ich bin nicht die Piaf“, sagt sie und fügt nach einem kurzen Moment hinzu. „Und ich singe auch nicht wie die Piaf.“

Sie sei zuerst einmal Schauspielerin und dann Sängerin, sagt Frederike Haas. Die Lieder der Piaf zu singen, auf die Idee wäre sie früher nie gekommen. „Diese Frau war nicht umsonst so berühmt.“ Ihre Lieder zu interpretieren berge immer die Gefahr, als schlechte Kopie, als klägliches Plagiat zu scheitern. Und so hätte sie wohl auch nicht die Rolle der Piaf am Nationaltheater in Mannheim angenommen, wenn der Regisseur nicht einen ganz anderen Ansatz mit seiner Inszenierung verfolgt hätte.

„Es ging um die Personen in den Liedern“, sagt Frederike Haas. Deren Geschichten lebendig machen, das sei der Anspruch an das Stück über die Piaf in Mannheim gewesen. Zwei Spielzeiten, von 2006 bis 2008, ist Frederike Haas mit der Piaf aufgetreten. Sie hat sich in dieser Zeit dieser einzigartigen Sängerin immer mehr genähert, angefangen, ihre Lieder zu entdecken. Und schon während ihrer Spielzeit in Mannheim hat sie dann gespürt, dass die Piaf sie danach nicht einfach loslassen wird.

Mit „Chansons der Edith Piaf“ wollen Frederike Haas und Sirid Heuts ihre Faszination für die Piaf an das Publikum weitergeben. Sie haben dafür 15 Lieder ausgesucht und die Geschichte von den beiden Freundinnen, die eine Nacht lang durch die Bars in dieser eine Straße ziehen. Frederike Haas singt nicht nur, sie erzählt auch. Denn sie will, dass sich die Geschichten in den Chansons auch dem offenbaren, der kein Französisch beherrscht. Atmosphärisch wirke schon allein die Musik sehr stark. Doch es steckt noch viel mehr dahinter. In Sirid Heuts hat sie die passende Begleiterin für die Nacht durch die Bars gefunden. „Mal spielt sie ganz perkussiv, dann wieder wie ein ganzes Orchester.“ Das Akkordeon sei so vielseitig, dass mit dieser Musik die ganze Vielschichtigkeit der Figuren in den Liedern deutlich werde.

„Nach der Zeit in Mannheim hatte ich befürchtet, dass ich den großen Saal, das Orchester vermissen werde“, sagt Frederike Haas. Doch mit dem Duo Les Gosses habe sie schnell den Reiz der kleinen Räume, der Bars erkannt, in denen der Chanson viel authentischer klinge. Darum ist sie auch vor dem Auftritt nach Potsdam gekommen und hat sich den Hof der Urania genau angeschaut, damit sie weiß, wie sie ihren Auftritt gestalten kann. Und sie hat sich Zeit genommen, für das Gespräch über die Piaf. Dann erzählt sie wieder von der großen Sängerin und ihrer Leidenschaft, ihrer großen Liebe: Der Musik. Die Grenzen zwischen der Haas und der Piaf verwischen wieder und man kann nur noch staunen, wie stark Frederike Haas einen in die Welt der Piaf zieht, allein wenn sie nur darüber spricht.

Les Gosses spielen die Chansons der Edith Piaf am morgigen Dienstag, 17 Uhr, Urania, Gutenbergstraße 71/72. Der Eintritt kostet 8, ermäßigt 7 Euro

Dirk Becker

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