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Kultur: Ein Plastikgespenst

Der „Fliegende Holländer“ beim Unidram-Festival

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Der „Fliegende Holländer“ beim Unidram-Festival Normalerweise dauert die Aufführung des „Fliegenden Holländers“ rund zweieinhalb Stunden – inklusive Wagnerorchester, Gesangssolisten, Chor, Segelschiff, Spinnstube und Felsenküste. Doch vielleicht könnte man den musikalisch-dramatischen Hochdruck des Originals reduzieren, überlegte das Schweizer Ensemble mit dem skurrilen Namen „Weshalb-Forellen-Quartett“. Schließlich basiert Wagners erste Großoper auch nur auf einer kleinen Fabel in Heinrich Heines satirischen Prosaskizzen „Memoiren des Herren von Schnabelewopski“. So entstand ein siebzig Minuten dauerndes Miniaturopus für Streichquartett, Hammond Orgel und einem Schauspieler. Bei der Aufführung im T-Werk beim Unidram-Festival ergötzte sich das zahlreich erschienene Publikum an schnurrigen szenischen Einfällen und wunderlich klingender Wagner-Musik. Mit der Inszenierung soll überschwängliches Gefühlspathos demontiert und dem Gigantismus getrotzt werden, verlautbaren die Schweizer Spielleute im Presseheft. Zu Beginn rezitiert der Schauspieler die Holländersage nach Heinrich Heine. Der Erzähler (Herwig Ursin) endet jedoch mitten im Text, genau dort, wo Wagner begonnen und geendet hat, bei den erhabenen Motiven der Liebe, Treue und Erlösung durch eine Frau. Auf nahezu dunkler Bühne ersteht ein von innen punktuell beleuchtetes Gespenst aus durchsichtiger Plastikfolie, der Holländer, daneben steht ein Globus und einige zugebundene Plastiktüten, deren Inhalt nicht erkennbar ist. Das Leitmotiv erklingt auf der Trompete. Zu einem dramatischen Monolog, dessen Textherkunft nicht genannt wurde – Wagner war es jedenfalls nicht – geraten drei Hängelampen ins Kreiseln. Eine Leuchtschnur schiebt sich schlangengleich über den Boden, eine Stehlampe mit Troddeln dreht sich heftig zum Tanz. Solch kuriose Licht-Musik-Effekte wechseln mit beweglichen Positionen der Musiker und ihres Mobiliars ab. Stühle rücken auseinander, das Harmonium dreht sich, die Darsteller finden zu verschiedenen Formationen zusammen. Denn die Musiker spielen nicht nur auf ihren Instrumenten, sie singen, summen, pfeifen und schlüpfen immer wieder in ihre Rollen. Mal hört sich ihr a-capella Gesang rein und fein an, dann wieder schauerlich schräg. Sentas Arie „Traft ihr das Schiff im Meere an?“ wird in der Darbietung durch die Geigerin Monika Camenzind zum gellenden Krakeelen, der Holländer in der Darbietung des Bratschisten Daniel Thomas wirkt eher wie der Riese Rübezahl. Größere schauspielerische und musikalische Präsenz erreicht der Geiger Christian Strässle als verlassener Verlobter Erik. Auch sein Violinsolo von Eriks Kavatine „Willst Du jenes Tags“ bleibt in guter Erinnerung. Martin Birnstiel malt am Violoncello mit dunklen Tönen einen düsteren Hintergrund. Als kurioser Einfall erweist sich die Hammondorgel mit Peter Scheidegger, der weihevolle Stimmung genüsslich zelebriert und parodiert. Der „Fliegenden Holländer“ des „Weshalb-Forellen-Quartetts“ bleibt als unkonventionelle Wagner-Version voll kauziger Ideen haften. Doch ein innerer Zusammenhalt, ein überzeugender roter Faden fehlt. Weniger Wagners Musik als das Klischee davon diente für ein parodistisches Spiel, das teilweise originell, teilweise floskelhaft blieb. Für eine echte Demontage der schaurigen Erlösungssaga reicht es nicht ganz. Dafür hat bereits – bevor Wagner sich des Stoffes annahm – Heinrich Heine mit überlegener spöttischer Ironie gesorgt. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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