zum Hauptinhalt
Illustrativ und untergründig. Moritz Götze „Selbst als Preußischer Staatsmaler“

© Andreas Klaer

Kultur: Ein poppiger Staatsmaler

Vergnüglicher Querdenker: Moritz Götze zeigt in der Galerie Sperl seine Bilder

Stand:

Umgeben von seinen Hunden, den „Windspielen“, steht Friedrich II. in einem aus Emaille gefertigten Ensemble. Eine Büste Voltaires, ein Buch, vermutlich mit philosophischen Texten, eine sprühende Kanonenkugel und andere kreisen um ihn. Es finden sich noch weitere Zitate aus der preußischen Historie in der Ausstellung von Moritz Götze in der Sperl Galerie: emaillierte Schreine, in denen Originalbriefe Friedrich Wilhelm IV. wie kostbare Reliquien präsentiert werden, Porträts aus dem alten Preußen. „Es war gar nicht so schwierig, die Briefe aufzutreiben. Die werden heute noch auf Auktionen zu finanzierbaren Preisen gehandelt“, sagt der Künstler. Die Preise der Autografen variierten entsprechend der historischen Bedeutung des Inhaltes.

„Deutsche Kunst“ eines „preußischen Staatsmalers“ ist die Ausstellung überschrieben. Die deutsche Geschichte lässt Moritz Götze nicht los. Das war zunächst nicht absehbar. Denn in den 80er Jahren begann der 1964 in Halle an der Saale geborene Maler als Punk. Für subversive Punkkonzerte im real existierenden Sozialismus fertigte der Sohn einer Textilgestalterin und eines Innenarchitekten Plakate. Auch wenn der Künstler heute vermutet, die Musikveranstaltungen hätten ihre Existenz der „großzügigen Tolerierung pubertären Wahnsinns“ zu verdanken, so legten sie doch den Grundstein für eine Mesalliance zwischen Malerei und Musik, die Götzes Kunst bei vielen Vernissagen prägt.

Auch heute noch schwingt in seiner Malerei ein deutlich popmusikalischer Grundton mit. Wenn Pan die Psyche tröstet oder Götze ein Mädchen mit Handy zeigt, das in einer vermüllten „Idylle“ sitzt, so zitiert er nicht nur die klassischen Vorlagen, nach denen die Bilder entstanden sind. Der Maler transferiert die Sujets in ein flächiges Panorama mit klar eingefassten Umrissen und heiterer Farbstimmung, die an Fernand Leger erinnert. Die zumeist ungebrochenen Farben und die illustrative Erkennbarkeit des Dargestellten wirken zunächst hübsch unbeschwert. Untergründig aber lauert die deutsche Nationalgeschichte ebenso wie die feinsinnige Beschäftigung Götzes mit der Kunsthistorie. Denn auch bei dem „ruhenden Mädchen am Strand“ handelt es sich nicht einfach um eine nackte Schöne, sondern um ein Zitat des Bildhauers Johann Gottfried Schadow. Der Maler verwandelt die Marmorstatue in eine bunte Freikörperskulptur am wiederum mit einigem Unrat behafteten Ostseestrand.

Moritz Götze sei die „Popikone des Ostens“, stellt der Kunstwissenschaftler Peter Lang fest, der schon zahlreiche Ausstellungen des Künstlers kuratiert hat. Die Ausstellung in der Galerie Sperl findet ihr Pendant im „Rourke Art Museum“ in Moorhead in Minnesota im Norden der USA und in der Galerie Rothamel in Frankfurt. Nachdem Götze in Deutschland in zahlreichen Museen und Galerien erfolgreiche Ausstellungen verbuchen kann, blickt er mit gespannter Erwartung der Ausstellung in den Vereinigten Staaten entgegen. Ein aufwendig gestalteter Katalog, editiert im eigenen „Hasenverlag“ des Malers, ergänzt den Schritt Götzes nach Amerika. Möglicherweise erobert sich der Maler ein neues Land für seine Kunst, wie auch Friedrich II. im Siebenjährigen Krieg neues Terrain für sein Preußen erobern wollte. Die Qualität Götzes liegt allerdings darin, dass er, anders als der Preußenkönig, niemals belehrend oder herrschsüchtig daherkommt.

Vielmehr mixt Götze vergnügt alle möglichen Bezüge und Querverweise. Auf dem Schrein des Briefes von Friedrich Wilhelm IV. taucht unversehens eine Jacobinermütze auf. In seinem Panorama „Viktoria“ zitiert er einerseits den treudeutschen Historienmaler Anton von Werner mit einem Totenkopfensemble und Hände schüttelnden Häuptlingen, andererseits braust ein Cadillac durch die Installation. In seiner Ausstellung „Männer und Taten“ hat Götze Bilder von Schlachten und Schlachtenlenkern in comichafte Tableaus verwandelt. So erinnert er an die problematische Geschichte, aus der das gegenwärtige Deutschland und Europa gewachsen ist. Wenn sich der Schlachtenlärm aber wieder verzogen hat, streicht die leicht bekleidete Göttin, Aphrodite möglicherweise, dem pinselschwingenden nackten Jüngling bei der „Erfindung der Malerei“ sanft übers Kinn.

Zu sehen in der Sperl Galerie am Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10/11, bis 30. Juni, Mi bis So 12 bis 18 Uhr

Richard Rabensaat

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })