Kultur: Ein preußischer Playboy
Im Garten vorgelesen am Ufer des Heiligen Sees: Briefe von und an König Friedrich Wilhelm II.
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Welch ein Schwerenöter! Kein preußischer König hat sich wohl so ungehemmt den irdischen und sinnlichen Genüssen hingegeben wie Friedrich Wilhelm II. Bei seinem Tod war der Staat der Auflösung nahe, schrieb Oberst Christian von Massenbach in seinen Memoiren. Einen Einblick in die Befindlichkeiten des Königs und seiner zahlreichen Gemahlinnen und Geliebten gaben Rita Feldmeier und Klaus Büstrin im Garten der Villa Sedemund in der Urania-Reihe „Im Garten vorgelesen“ am Ufer des Heiligen Sees. Sie lasen aus teilweise unveröffentlichten Briefen, die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz lagern und von Sonja Schnitzler ausgewählt und bearbeitet wurden.
Trefflich passte auch der Veranstaltungsort direkt gegenüber dem Marmorpalais, das Friedrich Wilhelm einst für seine lebenslange Mätresse Wilhelmine Encke bauen ließ. Wie ein preußischer Pygmalion kümmerte er sich um die Tochter eines Trompeters, sorgte für ihre Erziehung und Bildung, ebenso wie für ihre gemeinsamen Kinder. Sie dankte es ihm mit lebenslanger Zuneigung, die so weit ging, dass sie ihm sogar gelegentlich andere Frauen zuführte. Das war wohl dringend nötig.
Offiziell war Friedrich Wilhelm II. zweimal verheiratet, sowie zweimal zur linken Hand. Der König selbst schrieb von seinem „Bedürfnis, den heftigen Trieb der Natur zu stillen.“ Seiner inständigen Bitte, eine Ehe linker Hand mit Julie von Voß eingehen zu dürfen, wurde stattgegeben. Nach ihrem frühen Tod vergnügte er sich mit der stolzen Gräfin Dönhoff, die ihm zwei Kinder gebar. Sie kämpfte um seine Gunst bis zuletzt. Aber sie verlor, denn ihrer letzten Bitte, den König auf dem Sterbebett pflegen zu dürfen, wurde nicht entsprochen. Das durfte dann doch die Encke tun, die erst kurz zuvor zur Gräfin Lichtenau ernannt worden war. Auch der König wurde in fortgeschrittenem Alter zum Verlierer. Wie Goethe verliebte er sich noch einmal in ein junges Mädchen, Sophie Bethmann, eine Frankfurter Bankierstochter. Sie ist noch keine zwanzig, der König Ende vierzig. Allein, sein Ziel erreichte er diesmal nicht, worüber er völlig sentimental schrieb: „Da ich Sie wirklich nicht mehr lieben darf, wäre es besser gewesen, dass ich in jenem Moment gestorben wäre!“ Trösten tut sich der preußische Playboy mit jungen Tänzerinnen und Schauspielerinnen. Ihre Briefe zeugen von einfältiger Denkweise und gesundem Selbstbewusstsein, denn sie fordern einiges an materiellen Zusagen. Außer durch seine Frauengeschichten und seinen Hang zum Okkultismus ist Friedrich Wilhelm II. als Freund der Musik und der Künste allgemein in die Geschichte eingegangen. Insbesondere bei der Musik bewies der selber Cello spielende König guten Geschmack. Er erbat Kompositionen von Haydn, Mozart und Beethoven und holte Luigi Boccherini an den Hof.
Passend dazu spielten Benno Kaltenhäuser und Volkmar Weiche kleinere Werke für zwei Celli aus der Zeit. Trotz empfindlicher Kälte, die den Aufenthalt im Garten nicht zum reinen Vergnügen machte, gelang den beiden Musikern fingerfertig und klangvoll eine reizvolle Interpretation. Die beiden Vorleser überzeugten mit ausgewogener, lebendiger Darstellung. Klaus Büstrin gab dem König empfindsames Sentiment. Rita Feldmeier lieferte dazu willkommene Kontraste, indem sie den jeweiligen Briefschreiberinnen individuelle Stimmen verlieh, je nachdem innig, energisch, einschmeichelnd oder naiv. Viel Beifall für diese gelungene Vorstellung.
Babette Kaiserkern
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