Kultur: Ein Rhythmusbündel
Manu Katché gastierte im Hans Otto Theater
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Die Radaurakete fehlte nicht. Gut eine Stunde lang hatten Manu Katché und seine Band Tendances, im Programm als „The French Lions“ angekündigt, zusammen gespielt, dann blieb Katché für ein paar Minuten allein zurück: Ein Mann und sein Schlagzeug. In den fast vollen Sitzreihen des Hans Otto Theaters erwartungsvolle Gesichter.
Ein paar laxe Schläge aufs Fell, schon zündete Katché den Schub. Danach ging es in immer enger werdender Spirale von hauchzart bis knüppeldick. Katché, reinstes Rhythmusbündel, traktierte die Gerätschaften vor sich mit einer Leidenschaft, Verspieltheit und Kraft, dass man jeden Moment damit rechnen musste, gleich hebt er ab und rauscht durchs Theaterdach in den Nachthimmel. Den Schlagzeugliebhabern im Publikum standen vor Begeisterung Tränen in den Augen, den meisten dröhnten die Ohren ob dieses Schlaggewitters und Katché freute sich wie ein Kind.
Zu einer Jazzwerkstatt „Special“ hatte das Hans Otto Theater am Sonnabend geladen. Und mit französischen Schlagzeuger Manu Katché war ein Ausnahmemusiker auf die Bühne gekommen, der dieses „Special“ wahrlich verdient. Katché hat mit Größen wie Peter Gabriel, Sting und Tori Amos gespielt. Erst vor ein paar Monaten war er zusammen mit dem Saxophonisten Jan Gabarek im Nikolaisaal aufgetreten. Doch an diesem Abend war Katché der Mittelpunkt.
Jazz in seinem freiesten Verständnis präsentierten Manu Katché und seine Musiker. Ein überbordender Stilmix mit Vorliebe fürs Chaotische. Auf die Rhythmusarbeit, den Diener für die anderen Instrumente ließ sich Katché hier nicht reduzieren. Mit dem Pianisten Franck Avitabile lieferte er sich ausgelassene Improvisationsduelle, in die schlichtend Alex Tassel mit seinem Flügelhorn eingriff. Bassist Jerome Regard in permanenter Lauerstellung, um einigermaßen Schritt halten zu können mit Manu Katché, der in jeder Muskelfaser einen anderen Rhythmus zu haben scheint.
So entstanden ausschweifende Wanderungen durch Instrumentallandschaften, die mal farbenfroh und prachtvoll sind, dann wieder karg und nur am Rande strahlend. Und immer wieder Katché, der ganz unerwartet, für Momente nur, sein Schlagzeug bearbeitete, dass die Luft förmlich zu leuchten schien.
Selbstverständlich, dass diese Musiker nicht ohne Zugabe entlassen wurden.Dirk Becker
Dirk Becker
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