Kultur: Ein rigoroses Wühlen Das Eroica Quartett
im Palmensaal
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Kaum erfunden, erfreut es sich in Europa großer Beliebtheit: das Streichquartett. Den Verlockungen, mit vier unabhängigen und gleichberechtigten Stimmen formausgewogen experimentieren zu können, widerstehen nur die wenigsten Komponisten. Verständlichen Diskursen von vier vernünftigen Leuten (frei nach Goethe) lauschen zu können, bot nun der Musikfestspiele-Auftritt des englischen Eroica Quartetts am Mittwoch im Palmensaal des Neuen Gartens. Die Truppe, die mit draufgängerischem Streichen frischen Wind in die Quartettszene bringt, setzt sich für historisch informierte Aufführungen von entsprechender Literatur des 19. Jahrhunderts ein. Und startet ihre Abenteuerreise mit der lehrbuchhaften Fugen-Übungsarbeit d-Moll KV 405 Nr. 4 von Wolfgang Amadeus Mozart. Die vierstimmige Bachadaption verdeutlicht, dass ihm der überlieferte Kontrapunkt nicht das eigentliche schöpferische Metier ist, in dem er sich wohlfühlt. Mit dunklem, satten Ton und sparsamem Vibratogebrauch führt man die kurze Adaptionsstudie vor.
Wird Joseph Haydns „Preußisches Quartett“ D-Dur op. 50 Nr. 6 für mehr Furore sorgen? Dem Spiel der vier Musiker wohnt von Anbeginn etwas Drängendes und Forsches inne, leider mit der Tendenz zum Forcieren. So wird aus geistreicher Unterhaltung voller Esprit alsbald ein rechthaberischer, klanggeschärfter Disput. Die Lautstäre bewegt sich fast durchweg zwischen Mezzoforte und Forte, Zwischentöne bleiben rar. Ein Musizieren der direkten Art, dem es an Differenzierung mangelt. Es scheint, als übersetzten sie „preußisch“ mit ruppig, ungalant und zackig. Unschön auch, wie sich Primarius Peter Hanson immer wieder vorlaut in den Vordergrund spielt, dabei unterstützt von David Watkin (Violoncello). Die Mittelstimmen – Violine II (Julia Hanson) und Viola (Vicci Wardman) – bleiben dagegen eher blass.
Ebenfalls mit straffem Bogenstrich werden Sätze aus Streichquartetten weitgehend unbekannter Komponisten gespielt, deren Existenz das Programmheft aber leider verschweigt. Johann Georg Schetky, Cellist und später Solist der Cecilia’s-Hall-Konzerte in Edinburgh, ist mit einem „Allegro con moto“ -Satz dabei, Giovanni Battista Viotti, Europas berühmtester Violinist seiner Zeit, der unter anderem in Berlin vor Friedrich II. spielt, mit einem „Andante con espressione“. Dritter im Bunde schließlich Carl Friedrich Abel, zunächst als Gambist am Dresdner Hof, dann in London, wo er mit Johann Christian Bach Abonnementskonzerte leitet, der ein „Allegretto“ beisteuert. Sein Stück hebt sich gegenüber den anderen durch Originalität heraus. Man spielt es homogen, anmutig, leicht und kapriziös, fast schwebend. Aus seiner Feder stammt auch die vom Publikum herbei applaudierte Zugabe, nachdem Ludwig van Beethovens Streichquartett B-Dur op. 18 Nr. 6 verklungen ist. Hier trifft die unbändige Spiellust der Musiker auf das ihnen gemäße Stück. Differenziert, vor Leidenschaft fast berstend, ja fast aggressiv gehen sie zu Werke, steuern a quattro Ausdrucksintensität bei. Kontraste reizen sie rigoros aus, sorgen für spannende Phrasierungen. Streng, klar und gefühlvoll musizieren sie das Adagio, sorgen im Scherzo für unaufhörlichen Energienachschub, wühlen sich in die schmerzvollen Gedanken des finalen „La Malinconia“-Satzes, den sie nach vielen retardierenden Momenten geschäftig enden. Atemberaubend! Peter Buske
Peter Buske
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