Kultur: Ein Ritt auf den Wellen mit Untiefen Christian Brückner
liest „Moby Dick“
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Als Christian Brückner gefragt wurde, welche Rolle ihn am meisten reizen würde, nannte er spontan Kapitän Ahab. Der sei ein so besessener Typ, der alles beiseite fegt für seine große Leidenschaft. Genau diese Leidenschaft hat den Schauspieler und Sprecher ergriffen, während er die dreißigstündige Lesung von „Moby Dick“ in den Studios des Literarischen Colloquiums am Wannsee aufgenommen hat. Ein Ritt auf den Wellen mit Untiefen und Stürmen, mit Krisen und Flüchen. Seine Frau übernahm dabei die Regie, so wie auch bei den anderen Produktionen für das eigene Hörbuchlabel „parlando“, das inzwischen als Edel-Marke bei Random House anheuerte. Was das für die innerfamiliären Verhältnisse bedeutet, kann man nur erahnen, schaut man auf das gewaltige Spektrum der Brückners: sowohl im Hörbuchbereich als auch im Vorlesezirkus deutschlandweit.
Mitunter vernimmt man ein Nörgeln über die Omnipräsenz seiner Stimme; ob für die Porsche-Werbung, Robert de Niro, Harvey Keitel, ob für Raymond Carver, J. M. Coetzee oder Anni Proux: Überall ertönt die dunkle, rauchige, warme Bassstimme aus den Lautsprechern. Ja, aber kaum ein anderer Sprecher beherrscht die Prima-Vista-Lesung so perfekt wie er, kaum ein anderer hat ein so tiefes Verständnis für die Literatur wie er, was man vor allem an der sorgsamen Auswahl für seine preisgekrönte parlando-Edition sehen kann.
Mit „Moby Dick" hat er sich eines der schwersten, aber auch „wunderbarsten aller Bücher“ vorgenommen, schrieb die FAZ. Als Vorlage diente ihm die Neuübersetzung von Friedhelm Rathjen, die sich stärker an die Klangstruktur und Wortvielfalt des Originals hält als ältere Übersetzungen. Die naive Abenteuerlust und skeptische Gelehrsamkeit des Matrosen Ismael sind der Grundton, gegen den die furiosen Monologe Ahabs einen Sturm der Leidenschaft entfachen.
Melvilles Buch ist alles in einem: das Drama eines Wahnsinnigen, der Schiff und Mannschaft um einer fixen Idee willen in den Untergang treibt; der Bericht Ismaels über seine Schicksalsgenossen, über den Schiffbruch und seine Errettung; schließlich die sachkundige Abhandlung des Walfanggeschäfts. So wechselt die Tonlage virtuos zwischen wissenschaftlicher Prosa und shakespearischem Theaterdonner, zwischen Predigt, Poesie und philosophischer Sentenz, bis endlich ein gewaltiger Stimmenchor den Leser zu verschlingen droht.
Deshalb ist die vollständige Lesung des Moby-Dick ein wahres Geschenk, denn, so urteilte DIE ZEIT über das Hörbuch: „Christian Brückner durchwandert diese gewaltige, zuweilen uferlos erscheinende Landschaft mit einer suggestiven Eleganz, die ihresgleichen sucht. Seine leicht angeraute Stimme liest die längsten Sätze so eingängig, dass man die Musikalität der Perioden spürt und die ungeheure Bildkraft der Sprache“.Als Herman Melville 1851 seinen Moby-Dick veröffentlichte, kam es nicht über 3 000 Exemplare hinaus. Heute schätzen wir das Buch als Höhepunkt der Weltliteratur. 959 Seiten in 30 Stunden – ein Sog der Wörter, die Welt ein Meer. Hendrik Röder
Am Sonnabend, dem 14. Juni um 18 Uhr, liest Christian Brückner aus „Moby Dick“ auf der Terrasse der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Er wird von dem Percussionisten Herman Naehring begleitet. Eintritt: 10/erm. 8 €. Kinder Eintritt frei (geeignet ab zehn Jahren.) Tel. 0331-2804103.
Hendrik Röder
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