Kultur: Ein schneller Fluss
Das Staatsorchester mit Mozart und Mahler
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Sie zählt gewiss zu Mozarts liebenswürdigsten Werken, die Haffner-Sinfonie. Mit ihr eröffnete am Samstag das Brandenburgische Staatsorchester unter Leitung von Howard Griffith das 9. Sinfoniekonzert im Nikolaisaal. Was auch als Mozarts erste Wiener Sinfonie bekannt wurde, entstand in aller Eile und Hast, welche durchaus hörbar ist. Ohne gewichtige Einleitung, wie sie Mozart später gern verwendete, sprudelt die Haffner-Sinfonie vom ersten Moment an wie ein schneller Fluss dahin, der eine felsige Engstelle passieren muss. Schon die Themen des ersten Satzes, allegro con spirito, stürmen mit großen Intervallsprüngen, Trillern und punktierter Rhythmik voran, wobei die Pauke manchmal zu stark dröhnt. Das folgende Andante lässt die sprühenden Fluten im Mondschein glitzern. Doch dieser, einer der klangvollsten, himmlisch-heiteren Mozart-Sätze, besitzt an diesem Abend nicht durchgehend Leichtigkeit und Feinschliff. Nach glücklich beendeter Jagd durch das markante Menuett, wobei das Trio kaum hervortrat, folgt eine Tour de Force im finalen Presto. Der letzte Satz mit seinen Anklängen an Osmins Triumpf-Arie soll „so geschwind als möglich sein“, was inklusive aller harmonischen und rhythmischen Capricen von den Musikern Höchstleistungen verlangt. Nur gut, das nach kaum 20 Minuten der bravouröse Spuk vorbei war.
Ganz andere Qualitäten erfordert Mahlers „Lied von der Erde“, je nach Definition als sinfonischer Liederzyklus oder Sinfonie mit zwei Singstimmen bezeichnet. Unverhüllt erscheint die Atmosphäre des wienerischen Fin de Siècle in diesem Spätwerk, das von Hans Bethges Nachdichtungen altchinesischer Poeme inspiriert wurde. Die abwechselnd von Alt und Tenorstimme in rezitativischem Melos vorgetragenen Gedichte kreisen um Jammer, Einsamkeit, Vergänglichkeit und Abschied. So kann Mahlers Spätwerk mit seiner morbiden Klangästhetik auch als krasses Gegenstück zu solch erbaulichen, die Natur preisenden Werken wie „Die Jahreszeiten“ von Josef Haydn gelten.
Rein musikalisch wird in jeder Hinsicht alles aufgeboten, was die Symphonik im 19. Jahrhundert erschlossen hat. Im Vergleich zu Mozart erklingt ein fast doppelt so großes Orchester, in dem jedoch einzelne Instrumente stark hervortreten, wie etwa Flöte, ein klagendes englisches Horn, Oboe und Fagott. Zwei Harfen ranken in Jugendstil-Arabesken um die dichten Tonsätze, während der Tamtam-Gong düster die fortschreitende Zeit markiert. Die beiden Solisten, der isländische Tenor Egill Árni Pálsson und die Heidelbergerin Evelyn Hauck, überzeugen stimmlich auf ganzer Linie. Allerdings musste man im ersten Satz, dem „Trinklied vom Jammer der Erde“, beim bombastischen Brausen der Blechbläser gelegentlich Angst um die nicht sehr kräftige Stimme des Tenors bekommen, die zunächst zwangsweise forciert wirkte. Doch in der reizenden Chinoiserie des dritten Satzes „Von der Jugend“ kam die seidige, reine Stimme von Egill Árni Pálsson voll zur Geltung.
Weitgehend problemlos konnte Evelyn Hauck ihre anspruchsvollen Partien gestalten. Ihr goldglänzender Alt klingt scheinbar mühelos durch das tonale Dickicht, aber sie hatte auch die leiseren Partien zu bewältigen. Auch blieb ihr das überlange Finale mit der Überschrift „schwer, expressivo“ vorbehalten, wo sie noch einmal reichlich Gelegenheit erhielt, mit dem reichen, reifen Glanz ihrer Stimme das lauschende Publikum zu betören. Großartige Soli- und Ensemblepassagen, auch bei hohen Streichern und Celli, im Brandenburgischen Staatsorchester, das seinem souveränen Chefdirigenten aufmerksam folgte, ergänzten die gelungene Darbietung, die mit viel Applaus belohnt wurde. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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