Kultur: Ein schwer zu stemmendes Repertoire
Potsdamer Orchesterwoche in Friedenskirche
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Potsdamer Orchesterwoche in Friedenskirche Seit fast dreißig Jahren ist die von Kantor Dietrich Schönherr gegründete „Potsdamer Orchesterwoche“ ein fester Bestandteil sommerlichen Musizierens in und um Potsdam herum. Alljährlich ruft er „Laienmusiker aus nah und fern“ nach Hermannswerder, probt (meist) Symphonisches mit ihnen zum Behuf, die eingeübten Werke der Öffentlichkeit vorzustellen – und das alles, obwohl er sich nicht als „Kapellmeister“ sieht; die reine Liebhaberei. Was sich im Probenprozess an Gemeinsamkeiten herstellt, bleibt dem Außenstehenden verborgen, doch effektiv ist diese „Kulturarbeit“ allemal, sechs Konzerte zwischen Paretz und Kleinmachnow in fünf Tagen: Schwerstarbeit! Am Sonntag fand die Abschlussveranstaltung bei gutem Besuch in der Friedenskirche statt. Freilich hatte es das Repertoire in sich. Mit Bizet, Mozart und Mendelssohn-Bartholdy standen nicht gerade „einfache“ Kompositionen auf dem Programm, Werke ganz unterschiedlichen Geistes, dazu weitgehend bekannt – man brachte ja seine Hörgewohnheit mit, und fragte doch gelegentlich, ob sich in der zweistündigen Aufführung Anspruch und Ausführung (Gesamtleitung Dietrich Schönherr) immer die Waage halten konnten. Bei Bizets „Kinderspielen“ op. 22 war das gar kein Problem, der Marsch der Trompeter und Trommler kam mit Eifer und Feuer daher, das Wiegenlied („Die Puppe“) hatte sehr lyrische Momente, der „Kreisel“ kreiste mit aller Freude, es hüpfte, kullerte oder galoppierte auch „Der Ball“ zu aller Vergnügen. In seiner Sanftheit am Geheimnisvollsten der einfühlsame Part „Kleiner Mann, Kleine Frau“, das war schön. Wolfgang Amadeus Mozart“s Sinfonia Concertante in Es-Dur KV 297b stellte mit ihrem exponierten Bläserquartett an Orchester und Solisten sehr hohe Ansprüche, einerseits war das Zusammenspiel von vier ganz unterschiedlichen Solo-Instrumenten zu organisieren (Einstudierung Christian Deichstetter), andererseits musste der euphonische Mozart-Ton gefunden werden. Vielleicht war die Placierung des Quartetts nicht günstig, es hatte den Dirigenten im Rücken. Nach dem etwas wuseligen Orchester-Vorspiel erlebte man, mit welch filigranem Geschick der Salzburger diese Stimmen über drei Sätze führte: Er lässt Oboe (Sven Hermerschmidt) und Klarinette (ganz souverän Lorenz Beck) zusammen erklingen, dann ein Horn (sehr gut Anne Webers) und das stets präsente Fagott (Christian Pille), um diese wunderbaren Instrumente mal unisono, mal in variablen Gruppen darzustellen, sehr rasch im Kopfsatz, von dunkler, zährender Schönheit im Adagio, nicht mehr mit aller Spannkraft im dritten, wobei das Orchester Mozarts Staccato nicht immer zu halten verstand. Trotzdem ein Erleben. Über die (technisch gelungene) Ausführung von Mendelssohn-Bartholdys Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 von 1842 darf man geteilter Meinung sein. Sie gilt als ein Werk romantischen Geistes, darin es zwar manchen Wind an wilde Küsten schlägt, aber wird die „Schottische“ mit ihren durchgeformten Stimmungsbildern nicht als sanft beschrieben? Moderne Kompositionstechniken scheinen in ihr vorweggenommen zu sein. Schönherr hat sie in satte Tutti gesetzt, besonders im ersten Satz Andante con moto, wo sich das Aufbäumen höchster Kräfte wenigstens sechsmal wiederholt. Der ausgeglichene dritte Satz glich einer vorüberziehenden Prozession. Inwieweit auch der letzte Satz, mit tosendem Finale zwar vivacissimo, aber wenig maestoso, schottische Landschaft und romantische Geister bediente, bleibt ein Rätsel. Gerold Paul
Gerold Paul
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