Kultur: Ein Spiel- und Jubelfest
Sergio Azzolini und die Kammerakademie
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Auf die Heimkehr des verlorenen Sohnes haben sich alle gefreut – wenigstens für diesen einen Konzertabend am Sonntag in der gut besuchten Friedenskirche. Und wahrlich: Sergio Azzolini, exzellenter Fagottist und ehemaliger künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam, hat beim Auftritt mit dem von ihm mitgeformten Ensemble niemanden enttäuscht. „Konzertante Entdeckungen“ hielt das Programm bereit, in dem die Formen der Sinfonie mit der des Solokonzerts in einer reizvollen Wechselbeziehung standen. Natürlich mit formidablen Fagott-Zutaten. Die erste spannende Entdeckung hält Michael Haydn in seiner eingangs erklingenden B-Dur-Sinfonie bereit. Hier bereits sitzt Sergio Azzolini mit seinem Instrument als Primus inter pares rechterhand zwischen Violoncello und zweiter Geige. Und entsagt sich somit jeder dirigentischen Vormachtstellung, was erneut zur erfreulichen Folge hat, dass sich jeder Musiker verantwortlich fürs Ganze fühlt. Diese Einstellung erzeugt jedem eine enorme innere Spannung, spielerische Konzentration und dadurch eine vibrierende gestalterische Intensität. Man spielt vibratolos, liebt das Beschwingte und die dramatischen Zuspitzungen, setzt auf Kontraste und eine feinabgestimmte Dynamik. Wobei es den Tuttispieler Sergio Azzolini ob des Draufgängertums aller Musiker oftmals vom Sitz hebt. Der Adagio-Mittelsatz präsentiert sich als ein Concertino per Fagotto, in dem der Solist Azzolini voller inniger und geschmeidiger Ausdruckstiefe begeistert.
Von Michaels Bruder Joseph Haydn folgt ein Konzert für Fagott und Orchester, das der Forscher Azzolini als Bearbeitung von Haydns C-Dur-Orgelkonzert präsentiert. Hell und strahlend beginnt im Original wie in der Umformung die Einleitung, die in beiden Fällen auf den solistischen Auftritt vorbereitet. Statt Orgelglänzen sorgt nunmehr der tiefensatte, singende und voluminöse Fagott-Ton für einen dunkelgetönten Kontrast. Sehr reizvoll, weil es auf der Orgel schließlich auch ein Fagottregister gibt, allerdings als eine Klangfarbe unter vielen. Ein glutvolles, koloratur-, triller- und sonstwie verzierungsraffiniertes Leuchten zieht den Hörer unwillkürlich in den Bann. Staunenswert, wie Azzolini mit seelenverströmendem Legatospiel, angesiedelt zwischen majestätisch und keck, zu brillieren versteht. Makellos ist sein Ton, nuanciert seine Gestaltung, stilkundig seine Phrasierungskunst und atemartikulatorische Virtuosität, bewundernswert das präzise Zusammenspiel mit den Musikern.
Aus Joseph Haydns Reihe der drei Tageszeiten-Sinfonien erklingt nach der Pause „Le Soir“ (Der Abend), die in ihrem ersten Satz von des Tages Last und Müh', der Freude auf die abendliche Entspannung zu künden scheint. Im Verlaufe des musikalischen Geschehens ist Seelenerbaung mit Fagottbehaglichkeit angesagt. Solche Empfindungsmalerei mündet schließlich in die facettenreiche Darstellung eines abendlichen Gewitters mit Blitzen (Flöte) und Donnergrollen (rollende Streicherfiguren). Nachdem das Unwetter vorübergezogen ist, breitet sich mit Mozarts Sinfonia concertante Es-Dur KV 297b für Flöte (Bettina Lange), Oboe (Jan Böttcher), Horn (Bertrand Chatenet) und Fagott ein eifriges, wohlklingendes, aus dem Puls der Musik heraus geborenes Wettstreiten aus. Kurzum: ein Pingpongspiel a quattro und mit dem Tutti, herrlich lebendig und gelöst, voller kammermusikalischer Delikatesse, witziger Einvernehmlichkeit. Ein Spiel- und Jubelfest! Peter Buske
Peter Buske
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