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Kultur: Ein Tor kommt selten allein

Zwei Solos aus Frankfurt beendeten T-Werks „Theaterfrühling“

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Zwei Solos aus Frankfurt beendeten T-Werks „Theaterfrühling“ Von Dirk Becker Nur eine Häuflein Überzeugter war am Sonntagabend in die Schiffbauergasse gekommen, um die Abschlussveranstaltung bei den Eröffnungstagen des T-Werks in neuer Spielstätte zu erleben. Zwei, jeweils knapp 60-minütige Einpersonenstücke, mit denen das Theater des Lachens und das Theater im Schuppen aus dem benachbarten Frankfurt (Oder) in Potsdam gastierten. Zwei Stücke, die sich nur auf Wesentliches beschränkten und so, eher ungewollt, ihre Schwächen besonders stark betonten. Georg Losch eröffnete mit „Vom Hinzel und dem wilden Lenchen“ den Abend. Nur ein grober Tisch und Schemel, eine kleine Lampe und was er in seinen Taschen fand, dienten ihm, dieses Märchen von Alfred Döblin (1878-1957), dem Autor von „Berlin Alexanderplatz“, in Szene zu setzen. So, als würde er in einer Kneipe sitzen und improvisierend erzählen und erklären, wurden Zigaretten zum Schwarzwald, ein Aschenbecher zum Haus von Lenchen und ihrem Vater, und eine Streichholzschachtel, drapiert mit roter Serviette zu Lenchen selbst. Langsam ließ Losch sich die Geschichte entwickeln, erzählte er vom traurigen Lenchen, dessen Vater regelmäßig zur bösen Hexe Kirbelei geht. Den in sie verliebten Knecht Hinzel schickt Lenchen los, die Kirbelei zu töten. Döblin, der hier das klassische Märchenmotiv als Einführung aufgreift, lässt im weiteren Verlauf seiner Geschichte die scheinbare klare Zuordnung von Gut und Böse verschwimmen. Das arme Lenchen vom Anfang entpuppt sich als garstiges Biest, das den eigenen Vater vor den Pflug spannt und Hinzel nur für ihre niederen Zwecke missbraucht. Gerade die Figur des Lenchens, ihre Ambivalenz, das langsame Hervortreten ihres wahren Ichs, hätte spannungsreich gestaltet werden können. Doch Losch gelang dies nicht. Er ließ die nötigen Feinheiten in seinem Spiel, seiner Stimme vermissen. Gut war er, wenn er den sanften und leicht depperten Hinzel im Feenreich der Kirbelei gab. Mit dem zweiten Stück des Abends hatte dann der nächste Tor seinen Auftritt. Von „Karl“ Daniel Heinz in der Rolle von „Karl“ oder das Karlchen, wie er immer wieder betonte. Karl, aus Frankfurt an der Oder, der seine Geschichte erzählen wollte. Karl, ein geistig Zurückgebliebener, der früh seinen Vater verlor, von den Drohungen der Erwachsenen verfolgt, in einer eigenen Welt lebt, die ihn in stationäre Behandlung brachte. Karl der, nach dem Tod seines Vaters gar nicht anders zu erwarten, sexuell von seiner Mutter besessen, nur zu sich kommt, wenn er ausgiebig onaniert. Auch wenn sich Daniel Heinz redlich mühte, der Karl aus Frank Rüdigs Feder, der gleichzeitig Regie führte, blieb eine unentschlossene Figur. Das platt bediente Ödipusmotiv, das ständige Verweilen im Genitalen und dann noch, obwohl längst offensichtlich, das ausdrückliche Betonen des Anderssein von Karl, man wusste nicht, was dieser Karl wollte, was das alles eigentlich sollte. Bald war der Punkt erreicht, dass Karl nur noch nervte, mancher sogar verstohlen auf die Uhr schaute. Als dann noch der Eingangsmonolog zum Ende wiederholt wurde, um diesem ausfransenden Pseudopsychogramm einen runden Schluss zu geben, wirkte das nur noch hilflos. Karl ging mit hängenden Schultern, der Zuschauer blickte ihm erleichtert hinterher.

Dirk Becker

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