Kultur: Ein west-östlicher Himmel Motive von Murakami
in der Schinkelhalle
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Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto geboren und wird gerade in Potsdam gefeiert. Heute führt die freie Theatergruppe Künstlerkolonie „Schütte & Raibach“ unter der Regie von Horst J. Lonius in der neu restaurierten, imposanten Schinkelhalle auf dem Gelände der Schiffbauergasse ein Stück auf, das neudeutsch englisch benannt wird: „A city called paradise“ (Eine Stadt namens Paradies). Das aus Motiven mehrerer Erzählungen und Romane Murakamis von der Gruppe zusammengestellte Theaterstück, das eine Brücke zwischen der östlichen und westlichen Kultur schlägt, zitiert feine japanische Ästhetik. Bunraku-Puppen dienen am Bambuswald als Repräsentation eines erschütterten Ichs, das in viele Teile zerfällt.
Die Künstlerkolonie „Schütte & Raibach“ bietet ein Netzwerk, das dem aktuellen „Kulturprekariat“ eine Möglichkeit gibt, sich zu Wort zu melden. Es ist auch hierzulande nicht mehr üblich, auf eine klare Berufsbiographie zu hoffen, zumal im Kulturbereich. Sehr viele sehr gut ausgebildete Menschen hangeln sich von Projekt zu Projekt. Diese Situation ist prekär, sowohl finanziell, als auch örtlich, sie erlaubt kaum beständige Bindungen, und weil das so ist, hat sich in Europa inzwischen eine Bewegung mit dem Namen „Prekariat“ gebildet. Die phonetische Nähe zu „Proletariat“ ist gewollt.
Und hier kommt Murakami ins Spiel. So wie viele Akademiker, Künstler und Kulturarbeiter der westlichen Hemisphäre sich mit jedem Projekt neu erfinden, so sind sich die Protagonisten Murakamis auch nicht mehr ihrer selbst, ihrer Familie oder ihrer beruflichen Absicherung sicher. Die Globalisierung hat die Kultur erwischt, und die findet ganz schnell einen gemeinsamen Erfahrungshimmel, der zurzeit Murakami heißt.
Seine Helden sind Großstadtwölfe, die die Poesie ihrer Verlorenheit gleichzeitig lieben und hassen. Haruki Murakami kombiniert mit seinen steilen Fantasiesprüngen, einer Mischung aus Dostojewski, Kafka und japanischen Mythen die europäische Kultur mit asiatischer Tradition. Der Autor war Betreiber einer angesagten Tokyoter Jazzbar. Die Musik für den verlorenen Städter, der entweder zuviel Arbeit und keine Familie oder zuviel Familie und keine Arbeit hat, aber sich in beiden Fällen mit dem Problem der Sinnhaftigkeit seines Daseins herumschlägt, ist das Element, das symphonisch die unterschiedlichen Kulturen unter dem selben Firmament vereint. Egal ob Tokyo oder Berlin, überall ist der Horizont dunkel bewölkt, es passieren Dinge mit den Menschen, die sie nicht verstehen. Murakami als Kultautor aber versteht es, für eine identitätsschwache Generation Sinn zu produzieren, auch wenn der zunächst scheinbar unsinnig daherkommt. Und die Künstlerkolonie Schütte & Raibach hat daraus ein Theaterstück gemacht, das sie dem Potsdamer Publikum präsentiert. Man kann gespannt sein. Lore Bardens
„A city called paradise“, Fr - So 20 Uhr Schinkelhalle
Lore Bardens
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