Kultur: Ein zarter Schaum der Fantasie Kurzer „nachtboulevard“- Miranda-July-Abend
Es gibt diese Art von Kosmos, in dem möchte man sich endlos, pausenlos bewegen. So ein Kosmos ist die Arbeit der in Los Angeles lebenden Schriftstellerin, Regisseurin, Schauspielerin und Performerin Miranda July.
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Es gibt diese Art von Kosmos, in dem möchte man sich endlos, pausenlos bewegen. So ein Kosmos ist die Arbeit der in Los Angeles lebenden Schriftstellerin, Regisseurin, Schauspielerin und Performerin Miranda July. Die junge Frau, Jahrgang 1974, die bereits im Kindesalter begann, kleine Stücke zu spielen und Texte zu schreiben, begeistert erstmals eine breitere Öffentlichkeit mit ihrem 2005 herausgekommenen Kinofilm „You and me and everyone we know“, in dem sie die Hauptrolle spielt.
2007 folgt dann der erfolgreiche Storyband „No One Belongs Here More Than You“, auf Deutsch erschienen im Diogenes Verlag, und auf der Berlinale 2011 ist sie erneut als Hauptdarstellerin ihres zweiten Kinofilms „The Future“ zu sehen.
Ihre Arbeit, die von der genauen Beobachtung ihrer Umwelt lebt und der immer etwas Entrücktes, Verträumtes anhaftet, war der Reihe „nachtboulevard“ des Hans Otto Theaters darum Grund genug, der Künstlerin einen ganzen Abend zu widmen. Und so präsentieren die Schauspielerinnen Nele Jung und Friedericke Walke ihrem kleinen Publikum am Samstagabend in einer Mischung aus Tanz, Theater und Lesung eine Kostprobe des im Deutschen mit „Zehn Wahrheiten“ betitelten Geschichtenbandes der jungen Frau.
Das Bühnenbild ist schlicht, besteht aus zwei Tischen mit rotem und blauem Stuhl sowie einer großen Fotowand, an die Nele Jung später in träumerischer Versunkenheit weitere Bilder kleben wird, die sie aus Zeitschriften ausschneidet, während Friedericke Walke forsch und ein wenig verwundert die Story „Das Schwimmteam“ liest, in der eine junge Frau einer Gruppe älterer Menschen auf dem Fußboden ihrer Wohnung das Schwimmen beibringt.
Ein Lächeln stiehlt sich in die Gesichter der Zuhörenden, die förmlich die Entschlossenheit der Lernenden spüren können und sich Jack Jack vorstellten, wie dieser entschlossen durch die Wohnung robbt, nein schwimmt, bevor er sich, verdreckt und schwitzend und voller Stolz, zurück in der Küche das Lob seiner Teamkameraden abholt.
Das Hörerlebnis ist so intensiv, so mitreißend, dass das darauffolgende Dunkel und das damit verbundene Anzeigen des Endes verwirrt und irritiert. War das schon alles? Sollten 45 Minuten Miranda July ein ganzer Abend sein? Es ist so.
Still bleiben die Gäste auf ihren Stühlen sitzen, noch gefangen in diesem Kosmos aus Geschichten, die Titel tragen wie „Ich küsse eine Tür“, „Es war Romantik“ oder „Die Person“, letztere von den Schauspielerinnen im Wechsel vorgelesen, Rücken an Rücken, während sie gemeinsam in einem übergroßen „Shirty“ stecken.
Eine Szene, die an den neuen Film erinnert und vielleicht zeigt, dass in Miranda July viele Frauen stecken, die sich lieben und hassen, die sich stark oder klein fühlen, die, so wie die Person, von der überall existenten Zuneigung der eigenen Umgebung träumen, um dann doch lieber für sich zu sein, in der Badewanne, umgeben von Badeschaum, dessen Bläschen leise zerplatzen und aus dem sich so wunderbare Fantasiefiguren formen lassen.
Andrea Schneider
Andrea Schneider
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