Kultur: Ein zündendes Märchenspiel
„Papageno auf der Zauberflöte“ begeistert im Hans Otto Theater Klein und Groß
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„Papageno auf der Zauberflöte“ begeistert im Hans Otto Theater Klein und Groß Von Sonja Lenz Ah, dieser pummelige Papageno. Wie er plappert und schmollt, grinsend über die Bühne hüpft, sich das Bäuchlein hält und mit seinen Heldentaten prahlt - das begeistert nicht nur die Kinder. Endlich darf der lustige Vogelfänger einmal im Mittelpunkt stehen. Eberhard Streuls Kurzfassung von Mozarts „Zauberflöte“ macht es möglich. Mit „Papageno spielt auf der Zauberflöte“ hat der Dramaturg einen Bühnenhit für Kinderohren gelandet. Weit mehr als 100 mal hat er im Berliner Konzerthaus gezündet. Im Hans-Otto-Theater geht er sogar schon in die zweite Inszenierungsrunde. Vor neun Jahren ist der Tausendsassa im Federkleid schon einmal über die Potsdamer Bühne geturnt. Jetzt hat ein neues Team eine Fassung für die Reithalle A geschaffen. Wer spielt die zweite Hauptrolle? Der Märchenprinz, der sich in das Bild einer Prinzessin verliebt? Die angebetete Schöne, die entführt wurde und auf ihre Befreiung wartet? Unsinn, völlig falsch. Die Kinder aus dem Publikum sind die zweitwichtigsten Protagonisten. Alle spielen mit. Sie wummern aufs Donnerblech, plätschern mit den Wasserflaschen und stoßen schrille Pfeifftöne auf den Blockflöten aus. Requisiten werden blitzartig in allen Reihen verteilt und wieder eingesammelt. Die Kinder dürfen Papageno und Tamino bei ihren Prüfungen gehörig erschrecken. Sie flattern als Nachtvögel mit Masken vor der Bühne auf und ab. Aus Angst vor den kleinen Nachthemd-Gespenstern verkriecht sich der Vogelfänger unter der Bank. Kinder mit Flammenärmeln markieren den Weg durchs Feuer. Andere Publikums-Darsteller schlagen Wellen mit einem blauen Seidentuch. Auf der Weltrangliste der beliebtesten Opern steht „Die Zauberflöte“ ganz oben. Sie sorgt in jedem Theater für ein volles Haus. Auch für Kinder ist der Stoff bestens geeignet. Da gibt es kein blutrünstiges Hauen und Stechen, da wird nicht der Kopf des Geliebten auf dem Silbertablett serviert wie in „Salome“. Mozarts Spieloper ist jugendfrei. Die Mächte des Lichts kämpfen gegen die Mächte der Finsternis. Ausstatter Christian Klein hat als Symbol dafür eine einfache, wandelbare Sonnen-Mond-Wand erfunden. Die Videoleinwand sorgt für Ambiente mit Sternengeflimmer und Spinnennetzen. Der Prinz befreit die Tochter der Königin der Nacht aus den Fängen ihres Erzfeindes. Eine übersichtliche Märchenhandlung. Aber warum muss der Prinz in Jacqueline Posing van Dycks Inszenierung in kurzen Hosen und Kniestrümpfen herumlaufen? Warum ist Prinzessin Pamina ein rosarotes Püppchen mit Schleifchen? Ob sich Kinder heute mit solchen Figuren identifizieren? Das Hans-Otto-Theater treibt Aufwand. Zehn Sängerdarsteller sind am Spiel beteiligt. Klavier, Celesta und Flöte ersetzen das Orchester unter der Leitung von Camille Kerger. Musiktheaterproduktionen für Kinder haben in Potsdam eine lange Tradition. In den letzten Jahren sind sie rar geworden. Die Sparzwänge lassen sie kaum noch zu. Seit dem „Traumfresserchen“ vor drei Jahren mussten die Kinder warten. Die Premiere von „Papageno spielt auf der Zauberflöte“ ist nur durch die Kooperation mit dem Théatre National du Luxembourg möglich geworden. Seit einem dreiviertel Jahr arbeiten die Potsdamer eng mit den Luxemburgern zusammen. Die „Papageno“-Inszenierung wird demnächst auch dort gezeigt. Auf der Bühne stehen vor allem junge Sänger aus dem Luxemburger Opernstudio. Hans-Helge Gerlik in der Titelrolle wirft seine Pfunde temperamentvoll in die Waagschale. Er singt und spielt mit drolligem Esprit. Was ist daneben schon ein Prinz? Wie angewurzelt steht Eugen Duvnjak da und singt etwas angestrengt „Zu Hilfe, zu Hilfe“. Glaubt man ihm, dass er sich in das Bildnis von Pamina verliebt? In ihre Stimme kann man sich eher vernarren. Sicher, voll und wendig klingt ihr Sopran. Energisch legt sich Arno Bovensmann als böser Mohr ins Zeug. Auch Sarah Buder gefällt als gefiedertes Vogelfängerweibchen. Die drei Knaben vermitteln geschickt zwischen Bühne und Saal. Sie führen die Kinder durch die Geschichte und bauen zwischendurch die Bühne um, spielen auch Pagen und Jäger. Stocksteif wirkt Ingo Witzke als Sonnenkönig Sarastro. Gabriele Näther vom Hans-Otto-Theater spielt die Königin der Nacht mit schwarzer Robe und Flammenhaaren. Die berühmte Koloraturarie darf sie nicht singen. Auf eine gute Stunde hat Eberhard Streul die „Zauberflöte“ kindgerecht verkürzt. Zwischen Papagenos Auftrittslied „Der Vogelfänger bin ich ja“ und dem Duett „Pa-Pa-Pa“ hat er die meisten Ohrwürmer aber im Spiel gelassen. Das Märchenspiel zündet. Die Kinder mischen sich ein, die Eltern applaudieren begeistert. Und wer weiß: Wenn das Glockenspiel der Garnisonkirche demnächst wieder „Ein Mädchen oder Weibchen“ anstimmt, hat mancher vielleicht ganz neue Bilder im Kopf. Weitere Vorstellungen von „Papageno spielt auf der Zauberflöte“ von Eberhard Streul nach Mozart vom 21. bis 24. Oktober, jeweils um 10 Uhr, am 26. Oktober um 15 Uhr. Alle Aufführungen in der Reithalle A.
Sonja Lenz
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