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Kultur: Eindringliches zum Abschluss

Die h-Moll-Messe in der Friedenskirche

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Sie ist überreich an musikalischen Gedanken, erhaben und eindringlich, ausschweifend und konzentriert. An Ausführende und Zuhörer stellt sie fast übermenschliche Anforderungen. Wer Johann Sebastian Bachs Hohe Messe h-Moll BWV 232 zur Aufführungen bringen will, greift zu den Sternen. Björn O. Wiede, Intendant der Bachtage Potsdam, die in diesem Jahr 2500 Zuhörer fanden, stellte sich am Sonntag in der Friedenskirche zum Abschluss seines Musenfestes dieser Herausforderung. „An diesem Tag schließt sich ein zehnjähriger Kreis“, resümiert er seine erfolgreiche Tat im Dienste des Bachschen Weltenkosmos. Und bleibt sich und seinen Intentionen, keinen „richtigen“ Chor, sondern stattdessen das Solistenensemble für diese Aufgaben einzusetzen, treu. Neben ihren anspruchsvollen Aufgaben in Soli oder Duetten sind zwei Soprane, je ein Altus, Tenor und Bass für die größtenteils fünfstimmigen Chöre zuständig. Zu seiner Verstärkung im sechsstimmigen „Sanctus“ oder dem achtstimmigen, als Doppelquartett besetzten „Osanna in excelsis“ stehen ein zweiter Altus, Tenor und Bass parat.

Das Ungewöhnliche hat aber auch seine Vorteile. So entsteht eine kammermusikalische Intimität und Intensität, eine größere Transparenz des Klanges, den ein noch so gut geschulter und homogen zusammen tönender, flexibel reagierender Chor mit seiner größeren Schwingmasse kaum erreichen dürfte. Auch wenn man um all diese Dinge weiß: Das sich daran Gewöhnen fällt dennoch schwer. Sogleich bei der schmerzlichen, scharf getönten vokalen „Kyrie eleison“-Anrufung, der sich eine Fuge von geradezu himmlischer Länge anschließt. Das begleitende Instrumentalensemble „Exxential Bach“ ist mit Könnern aus vieler Herren Länder hochkarätig besetzt. Im Wissen um historische Aufführungspraxis befleißigt es sich eines eher herben Tonfalls und gemessenen Schritts, mit dem man durch die nunmehr deutlich erkennbaren polyphonen Strukturen der kunstvollsten Notenkonstrukte schreitet.

Ob nun chorisch oder solistisch: Die Sängerschar erweist sich als ein Gespann lyrischer, zueinander passender, uneitler, sauber intonierender, weich getönter, präzise miteinander in Einklang tretender Stimmen. Sie huldigen weitgehend einer objektivierenden Vortragsweise, die dennoch der Zuhörer Herz und Verstand zu erreichen versteht. Mit innigem, von innerem Leuchten erfülltem Gesang duettiert Hanna Zumsande (Soprano I) mit Tenor Maximilian Kiener das „Domine Deus“ gleich einem Liebeszwiegesang. Danach wird er, der auch in seinem „Benedictus“-Solo mit leicht geführter und leuchtender Stimme beeindruckt, wie bei einem Fußballspiel ausgewechselt und ein Double (Henning Kaiser) tritt im anschließenden „Qui tollis“-Chor an seine Stelle.

Nach ihrer Mitwirkung im Eröffnungskonzert ist Heidi Maria Taubert (Soprano II) auch beim Finale erneut dabei, wo sie mit kräftiger, heller, glanzvoller Stimme das „Laudamus te“ aus beweglicher Kehle jubiliert. Ausdrucks-, kraft- und gefühlvoll singt Sebastian Bluth das „Quoniam tu solus“ und „Et in spiritum sanctum“, während Altus David Erler vom „Qui sedes“ bis zum „Agnus Dei“ auf gradlinigen, verhaltenen, introvertierten Gesang baut. Die konzertierenden Instrumentalbeigaben von Naturtrompeten, Corno da caccia, Traversflöte, Oboen und Fagott sorgen für eine erstaunliche Farbigkeit des musikalischen Geschehens. Dem zuversichtlich musizierten „Dona nobis pacem“ folgt andachtsvolle Stille – im Gedenken an die Toten des New Yorker 9/11-Terroranschlags, dann braust der Beifall. Peter Buske

Peter Buske

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