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Kultur: Eine erbauliche Einkehr

Tröstliche Botschaften in der Erlöserkirche

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Goethe wusste es nur zu gut, was am Ostersonntag geschieht: „Jeder sonnt sich heute so gern, sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden.“ Zahlreiche Potsdamer mochten sich an das Ursprüngliche dieses Tages erinnert haben und suchten innere Einkehr zu gewinnen, die ihnen die Aufführungen von Giacomo Puccinis „Messa di Gloria“ und Francis Poulencs „Gloria“ in der Erlöserkirche verhieß. Als einfühlsame, gestaltungsintensive Überbringer dieser tröstlichen Botschaften erwiesen sich die Potsdamer Kantorei, das Neue Kammerorchester Potsdam und ein exzellentes Sängertrio unter Leitung von Ud Joffe. Eine überzeugende Konzertdramaturgie gab es auch. Um die Verbindung des Geschehens von Jesu Kreuzigung (am Karfreitag) zur Auferstehung (Ostersonntag) musikalisch zu vollziehen, erklang eingangs Puccinis feinfühlige Streichermusik „Crisantemi“, deren Blumentitel weiße Chrysanthemen assoziiert. Als Totenblumen waren sie einst sehr beliebt: ein letzter Gruß, mit dem man einem lieben Toten gedachte. Dem traurigen Anlass entsprechend breitet sich schmerzlich und gefühlstief elegisches Erinnern aus. Die Wiedergabe dieses klingenden Epitaphs wirkt nicht gefühlszerfließend oder gar kitschig, aber dennoch sehr innig. Dieses 1880 vom 21-jährigen Puccini komponierte Blumenbukett scheint bereits die stillen Klagen um Mimis oder Manons Ende vorwegzunehmen.

Dieser einprägsamen operalen Stimmung schließt sich fast nahtlos das einleitende Kyrie der „Messa di Gloria“ an. Ganz weich und mild getönt, geradezu schwelgend geraten die Erbarmensrufe, in die sich sehr nachdrücklich, geradezu fordernd die „Christe“-Anrufungen einmischen. Die achtzigköpfige Potsdamer Kantorei erweist sich bereits hier als eine sehr ausgeglichene, in Klangschönheit geradezu erblühende Chorgemeinschaft. Die einzelnen Stimmgruppen verschmelzen aufs Vorzüglichste, verbreiten im „Gloria“ hüpfende, fast ausufernde Fröhlichkeit eines Bauerntanzes auf dem Anger, um wenig später gleichermaßen überzeugend und ohne zu forcieren den hymnischen, operndramatisch geprägten Jubel zu verbreiten. Packend gestalten die Männerstimmen das marschrhythmische, von gleichsam Verdischer Größe und Intensität erfüllte „Qui tollis“. Zwischen Monumentalität (schweres Blech, Kontrabässe) und lieblicher Nachdrücklichkeit wissen im „Credo“ auch die Instrumentalisten zu überzeugen. Strahlende Leuchtkraft, lyrischer Schmelz und eine mühelos sich aufschwingende Höhe zeichnet den Vortrag von Tenor Daniel Sans aus. Bassbaritonale Leidenschaft weiß Tobias Berndt einzusetzen.

Wie hier sich keinerlei Weihrauchduft oder Beschaulichkeit verbreitet, stattdessen alles von Opernbrio durchdrungen ist, so gerät auch Poulencs „Gloria“ zum beeindruckenden Erlebnis. Der Lobpreis zur Ehre Gottes danach zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. Überraschend das „Laudamus te“ in seiner geradezu kindlichen Naivität und Freude, wobei der Tonsetzer Kritikern zur Antwort gab, er habe beim Komponieren Engel mit herausgestreckter Zunge und Fußball spielende Mönche vor Augen gehabt. Seine konzentrierten Notenniederschriften erfahren eine adäquate Auslegung: prägnant, packend, direkt. Nur ein Sopransolo unterbricht den Chorgesang. Esther Hilsberg singt die „Domine Deus“-Teile mit tragender Stimme von der Kanzel herab, sozusagen stellvertretend für alle Erbarmenserbitter. Die innere Erbauung mündet in geradezu enthusiastischem Jubel.

Peter Buske

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