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Kultur: Eine geläuterte Ruhe

In der übervollen Friedenskirche Sanssouci: Musik in der Christnacht mit dem Vocalkreis Potsdam

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In der übervollen Friedenskirche Sanssouci: Musik in der Christnacht mit dem Vocalkreis Potsdam Von Gerold Paul „Musica sacra – Musica nova“, die Heilige Nacht in der Friedenskirche stand ganz im Sinne dieses zeitübergreifenden Copyright, welches den Potsdamer Vocalkreis seit seiner Gründung 1984 auszeichnet. Altes und Neues im Geiste reformatorischen Glaubens miteinander zu verbinden, war diesem ausgezeichneten Ensemble unter Leitung von KMD Matthias Jacob schon immer Herzenssache. Nachdem die Glocken kurz vor dem vollen Mond diese ganz exzellente „Musik in der Christnacht“ eingeläutet hatten, hörte ein mehr als volles Gotteshaus geistliche Kompositionen aus vier Jahrhunderten, von Michael Praetorius bis Hans Chemin-Petit, von Johann Eccard bis zu Helge Jung. Doch eigentlich war das Repertoire so zusammengestellt, dass man es auch „Musik der Christnacht“ hätte nennen können, denn alles war mit geradezu rührender Zärtlichkeit auf die allerersten Stunden von Jesu ausgerichtet, darin Geburt und Anbetung sich mit der Fürsorge um das Neugeborene vereinen. Neben dem Vocalkreis trugen die Potsdamer Turmbläser dazu genauso bei wie die eher kurzgehaltenen Wortbeiträge von Klaus Büstrin, welcher neben der Nachricht von Lucas die eindringlichen Verse von Jochen Klepper zu Gehör brachte. Das „Weihnachtslied“ zuerst, ein Lobspruch auf den „hellen Morgenstern“, darin es heißt, es „soll errettet werden, wer dem Kinde glaubt“. Alle Musik teilte diesen Geist in ganz empfindsam-schönen Interpretationen. Von der Empore erscholl zum Auftakt das festlich gestimmte „Adeste fidelis“, dargestellt durch die Potsdamer Turmbläser. Erstaunlich leicht, ja fast beschwingt, folgte „Enatus est Emanuel“ von Praetorius mit sorgfältig abgewogener Phrasierung und einem zu Herzen gehenden „domine“, genauso interpretiert, wie es gemeint war. Das mehrstimmige „Psallite“ (anonym) hörte man zuerst auf Latein, dann wurde deutsch weitergesungen, ausgesprochen zärtlich der Part „ein kleines Kindelein in der Krippe lag“. Nein, all diese Arrangements scheuten sich nicht, Gefühle zu bekennen und öffentlich zu machen, im sanften ‚Heia’ des Bläserparts „Susani, susani“ genauso wenig wie im ruhigen Verlauf von Johann Walters „Joseph, lieber Joseph mein“ aus dem 16. Jahrhundert. Heilige Nacht, stille Nacht. Die geradezu geläuterte Ruhe in diesen geistlichen Klängen waren das Schönste, das Erhabenste dieses emotionsreichen Abends, der eher sachliche Bericht des Evangelisten gab expressis verbis den kontrastierenden Ausgleich. Es passte alles zusammen, die sorgfältig gearbeitete Motette von Schütz „Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes“ , zwar ein wenig didaktisch angelegt, aber sehr kantabel, die bis in die Fortissimi sauberen Bläserpartien „In dulci jubilo“ und „Still, still, still“, eine ganz phantastisch eingerichtete Bearbeitung von „Es ist ein Ros entsprungen“ Chemin-Petits, sehr kontrastreich mit schwingendem Unisono-Finale. Ein Höhepunkt war sicherlich „O magnum Mysterium“ (Ludovicia da Victoria), eine gewaltige Motette mit gregorianisch anmutendem Schluss-Teil. Überhaupt wunderte man sich, mit welcher Sensibilität es gelang, dieser Musik zu immer ruhigeren Formen zu verhelfen, bis die Stille hör- und fühlbar war. Musica sacra – musica nova, man staunte über die beiden Wiegenlieder aus Max Regers op. 8,eingerichtet von Helge Jung (geb. 1943). Von ihm stammt auch, schlicht und sehr verhalten intoniert, ein glanzvolles „Stille Nacht, heilige Nacht“. Mit wunderbaren Sopranstimmen, zum Ende, immer leiser werdend, wurde Bachs Choral „O Jesulein zart“ gesungen. Eines Geistes, respektierte man den Wunsch, von Beifall abzusehen. Stille nach Mitternacht, Stille auch den Glocken. Dem Kinde zu glauben, den Kindern, darauf kommt alles an: Die Kollekte war dem Hospiz „Sonnenhof“ gewidmet, wo unheilbar kranke Kinder bis zu ihrem Tode gepflegt werden. Auch das ist Gottesdienst, würdig der Heiligen Nacht.

Gerold Paul

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